Wer gewinnt die Wien-Wahl? Die F–Frage

Wiener Rathaus
Wiener Rathaus(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Meinungsforscher wagen derzeit nicht zu prognostizieren, ob die SPÖ oder die FPÖ am Abend des 11. Oktober vorn sein wird. Doch mit wem sollte Heinz-Christian Strache im Fall der Fälle koalieren?

Wien. Werner Faymann lächelte, Michael Häupl lachte, und die Rathausgenossenschaft schüttelte siegessicher den Kopf, als Heinz-Christian Strache vor der Wien-Wahl 2010 erklärte, dass er Bürgermeister werden will. Fünf Jahre später lacht niemand mehr in der SPÖ. Aus Straches großspuriger Ansage von damals ist eine ernsthafte geworden, die Antwort auf die F-Frage lautet: Ja, die FPÖ hat Chancen, am 11. Oktober stärkste Partei in Wien zu werden. Meinungsforscher wagen derzeit nicht zu prognostizieren, wer am Wahlabend vorn sein wird.

In den Umfragen, die jetzt laufend in den Medien publiziert werden, beträgt der Vorsprung der SPÖ zwar vier bis fünf Prozentpunkte. Allerdings haben FPÖ-Wähler die Eigenschaft, sich nicht zu deklarieren. Sie protestieren lieber im Stillen gegen die herrschenden Verhältnisse, nämlich in der Wahlkabine. Zuletzt ließ sich dieses Phänomen in der Steiermark beobachten, wo die Freiheitlichen am Ende – mit fast 27 Prozent – noch besser dastanden, als ihnen ohnehin schon vorhergesagt worden war. Beinahe hätten sie mit den Regierungsparteien gleichgezogen.

Beim „Volksfest“ der FPÖ heute, Samstag, im Wiener Prater, bei dem „Zehn Jahre H-C Strache“ gefeiert werden sollen, wird der Parteichef schon einmal für das Bürgermeisteramt üben. Die Themen, die derzeit die Tagespolitik dominieren, könnten nicht besser für ihn abgemischt sein: Eine hohe Arbeitslosigkeit und die Massenflucht nach Europa nähren die allgemeine Unzufriedenheit mit den Regierungen im Bund und in Wien. Und machen anfällig für eine Partei, die einfache oder gar keine Lösungen anbietet.

Nicht nur, aber vor allem in Wien erweitert Strache gerade sein Einzugsgebiet. Von den Arbeiterbezirken wie Favoriten, Floridsdorf oder Simmering, in denen die Arbeitslosigkeit höher ist und die Integrationsprobleme sichtbarer sind, ist die FPÖ längst stadteinwärts vorgedrungen, tief hinein in die Mittelschicht und ins Bürgertum. Und zwar überall dort, wo sich Zukunfts- und Abstiegsängste breitgemacht haben.

Das Engagement von Ursula Stenzel war da möglicherweise ein Coup. Die Bezirksvorsteherin und ehemalige EU-Politikerin der ÖVP könnte die Freiheitlichen auch in jenen Kreisen salonfähig machen, die Strache im Grunde immer schon recht gaben, ihn aber aus anderen Gründen nicht wählten.

Platz eins für die FPÖ in Wien hätte auch bundespolitisch weitreichende Folgen. Fällt Michael Häupl, könnte er Werner Faymann mitreißen. In der SPÖ würden sich jene durchsetzen, die einen Neuanfang verlangen. Der Weg für Christian Kern, derzeit ÖBB-Chef, wäre frei. Unwahrscheinlich ist, dass die ÖVP dann die Regierung verlässt. Parteiobmann Reinhold Mitterlehner weiß: Eine Neuwahl würde Strache auch im Bund nach vorne katapultieren.

Unabhängiger Bürgermeister?

Vielleicht kommt am Ende doch alles anders. In Wien lässt sich in diesen Tagen auch eine Anti-FPÖ-Dynamik beobachten. Viele, die unter anderen Umständen nicht die SPÖ gewählt hätten, wollen nun Häupl ihre Stimme geben, um Strache zu verhindern. Darauf spekulieren die Sozialdemokraten, und davor fürchten sich neben der FPÖ auch die anderen Parteien.

Und dann wäre da ein weiteres Problem für Strache: Mit wem sollte er in Wien regieren, wenn er die SPÖ tatsächlich hinter sich lässt? Die einzige Partei, die sich eine Koalition mit ihm vorstellen kann, wird zu schwach dafür sein. Blau-Schwarz ist allein schon rechnerisch eine Utopie, denn die ÖVP muss aufpassen, dass sie nicht in den einstelligen Prozentbereich abrutscht.

Allerdings geht auch ein Gerücht um: Wenn Strache Erster wird, könnte er sich mit den Grünen, der ÖVP und den Neos auf einen unabhängigen Bürgermeister einigen. Der Name Josef Moser – unter Jörg Haider Klubdirektor der FPÖ, seit 2004 Rechnungshofpräsident – ist gefallen. Offiziell wird das natürlich von allen Beteiligten dementiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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