Freiheitliche Parallelwelt

INTERVIEW: HEINZ-CHRISTIAN STRACHE
INTERVIEW: HEINZ-CHRISTIAN STRACHE(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Land der Flüchtlingshelfer? Wenn die FPÖ „zehn Jahre HC Strache“ feiert, kommt ein anderes Österreich zum Vorschein.

Wien am Samstag. Dort der Westbahnhof, da der Prater. Zwei Orte, nicht weit voneinander entfernt. 20 Autominuten, 15 mit der U-Bahn. Heute aber liegen Welten zwischen ihnen. Oder zumindest Weltanschauungen. Dort werden die Flüchtlinge willkommen geheißen. Da würde man sie am liebsten wieder nach Hause schicken.

Die FPÖ hat zum „Volksfest“ in den Prater geladen. Im „Alpendorf“, einem Lokal mit Hüttenflair und Gastgarten, werden „zehn Jahre HC Strache“ gefeiert. Wegen der Wien-Wahl wärmt der Parteichef sein eigentlich schon im April begangenes Jubiläum auf und gibt schon einmal den Bürgermeister, der er nach dem 11. Oktober werden will.

Beim Frühschoppen fehlt Strache noch, er wird erst am Abend erwartet, wenn er aus dem Wahlkampf in Oberösterreich zurück in Wien ist. Einige hundert Festgäste vertreiben sich einstweilen mit Gebrautem, Gegrilltem und Après-Ski-Musik die Zeit. Was will man mehr? Wenn da nicht die Flüchtlinge wären, die nicht alle hier ausblenden können. Ein Mann in Tracht sorgt sich um die Polizisten an der Grenze: „Sie sollten schießen dürfen, wenn's drauf ankommt.“ Sein Freund nickt.

Während Österreich gerade für seine Hilfsbereitschaft gelobt wird, tut sich im Prater eine Parallelwelt auf, die zwar nicht von der FPÖ konstruiert wurde, in der sie aber alle willkommen heißt, die sich ausgestoßen fühlen oder Angst haben, die einen Schuldigen für ihre Lebensumstände brauchen oder einfach nur anderer Meinung sind. In diesen Kreisen ist Strache längst Bürgermeister. Und seine Gemeinde wird kontinuierlich größer. „Ich hoffe“, sagt ein Mann Mitte fünfzig im Prater, „dass die Roten eine auf den Deckel bekommen.“


Stärker denn je. Nach zehn Jahren HC Strache steht die FPÖ besser da denn je. In der Steiermark hat sie zu den Regierungsparteien aufgeschlossen, im Burgenland regiert sie seit Juli mit. In Oberösterreich, das in zwei Wochen wählt, wird sie auf Platz zwei vorstoßen. In Wien hat Strache Chancen auf Platz eins. Und in den bundesweiten Umfragen liegt seine Partei souverän vorn.

Verantwortlich dafür ist in erster Linie die aktuelle Themenmischung. In ihrer EU- und Migrationskritik ist die FPÖ seit Jahren konstant, deshalb profitiert sie jetzt von der Griechenland-Krise und der Flucht nach Europa. Ihre Wähler unterscheiden nicht zwischen Zuwanderung und Asyl. Der Meinungsforscher Peter Hajek warnt allerdings davor, nur diese Themen für Straches Höhenflug verantwortlich zu machen: „Das Grundgefühl jener, die zur FPÖ wechseln, ist eine große Unzufriedenheit mit der Regierung.“ Die Flüchtlinge kämen nur noch dazu: „Als Bestätigung dafür, dass die Regierung nichts kann – auch das kann sie nicht organisieren.“

Daneben profitiert Strache vom Zerfall des Team Stronach. Bei der Nationalratswahl 2013 hat Frank Stronach die Freiheitlichen entschärft und am Ende noch fast sechs Prozent ins Ziel gerettet. Ein Großteil seiner Wähler ist mittlerweile aber (wieder) bei der FPÖ.

Am Samstag im Prater zeigt sich die Strache-Gemeinde: mehr Männer, aber auch viele Frauen. Eher Ältere als Jüngere. Alleinstehende und ganze Familien. Mütter mit Kindern. Frisierte und unfrisierte Menschen, Markenkleidung und Jogginghosen, schlanke Typen und Bierbäuche. Ein Querschnitt der Bevölkerung, wenn man so will. Durchschnittsbürger, die nicht weiter auffällig sind – bis sie über Politik diskutieren.

Es stimmt schon lang nicht mehr, dass die FPÖ-Anhänger nur aus dem Subproletariat kommen. „Tendenziell sind sie weniger gebildet und weniger qualifiziert“, sagt Peter Hajek. Doch mittlerweile sei Strache auch in der Mittelschicht und im Bürgertum angekommen, wo er jene anspreche, „die sich als abstiegsgefährdet empfinden.“

Innerhalb der FPÖ unterteilt man die Wählerschaft in Drittel. Das erste halte am etablierten rot-schwarzen System fest. Das zweite habe man längst für sich gewonnen. Das dritte sei noch unentschlossen. Wohin es sich bewege, werde sich bei den Wahlen in Wien und in Oberösterreich zeigen.

„Zwerg“ Strache. Die FPÖ, findet ein Parteikenner, der lieber anonym bleiben möchte, profitiere auch davon, dass sich der anfangs geschmähte Strache entwickelt habe. „Er hat an Routine und Statur gewonnen.“ Wobei man hier auch die Konkurrenz ins Treffen führen müsse: „Wenn die Sonne tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.“

In den intellektuellen Zirkeln der FPÖ wird der 46-Jährige mangels Alternativen zwar geduldet, aber nach wie vor als Nichtakademiker belächelt. Seinen Kritikern missfällt zudem, dass sich die Partei, die im Wesentlichen von Strache und Generalsekretär Herbert Kickl geführt wird, aufs Abwarten beschränkt. Manch einer vermisst inhaltliche Substanz: „Wir müssten Lösungen für die aktuellen Probleme anbieten, Arbeitskreise bilden, Experten einladen und ein Schattenkabinett präsentieren. Aber nichts davon geschieht.“ Manchmal wünscht sich dieser Freiheitliche Jörg Haider zurück: „Der hätte Werner Faymann vor sich hergetrieben.“

Strache aber lehnt sich lieber zurück, entspannt auf Ibiza und nimmt, wenn er wieder da ist, die Wähler in Empfang, die ihm die Regierung zutreibt. Viel mehr ist eigentlich nicht nötig. Und so geht auch das FPÖ-Fest im Prater am Samstagabend strachemäßig zu Ende: mit einer großen Party.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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