Arbeitslosigkeit: Minister Hundstorfer als Prellbock

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Der Unmut wegen der Verzögerung des Arbeitsmarktgipfels der Bundesregierung steigt. Für die Beschäftigung Älterer wäre eine höhere Kündigungsabgabe ein Ersatz für das Bonus-Malus-System.

Wien. Sein Fernsehauftritt war typisch: Rudolf Hundstorfer bemühte sich am Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“, beim Thema Grenzkontrollen Österreichs für Flüchtlinge den beruhigenden roten Gegenpart zum schwarzen „Jungspund“, Außenminister Sebastian Kurz, zu geben. Genau wegen dieser Rolle des bedächtigen, kalmierenden Spitzenpolitikers gerät der Sozialminister in der Bundesregierung nun zunehmend in seinem Arbeitsgebiet ins Schussfeld. Aktueller Anlass: die ständigen Verzögerungen des schon vor Monaten angekündigten Arbeitsmarktgipfels, der frühestens im Oktober stattfinden dürfte.

In der rot-schwarzen Koalition räumen zwar namhafte Vertreter ein, die Bewältigung des Flüchtlingsansturms habe absoluten Vorrang, alles andere müsse dahinter gereiht werden. Dennoch staut sich im Sozialministerium schon länger die Arbeit.

Es war Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), dem jetzt endgültig der Geduldsfaden gerissen ist. In der „Presse am Sonntag“ hat er für das Ausbleiben einer Reihe von Entscheidungen im Arbeits- und Sozialrecht nicht nur den Sozialpartnern die Rute ins Fenster gestellt. Er hat ihnen für die Erledigung von Vorhaben jeweils eine Sechs-Monate-Frist angedroht.

Schellings öffentlich vorgetragener Ärger gilt allerdings auch dem Sozialminister. Denn dieser lässt Druck auf die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter vermissen, zu Lösungen etwa beim Bonus-Malus-System für Ältere oder bei den Arbeitszeitwünschen der Wirtschaft zu kommen. Innerhalb der Koalition wird es für fatal erachtet, dass die Bundesregierung bei einer Rekordzahl von beinahe 400.000 Arbeitslosen durch das Verschieben eines Arbeitsmarktgipfels signalisiere, diese Probleme würden nicht besonders ernst genommen.

Zurückschrecken vor dem ÖGB

Als Hauptgrund für die Verzögerungen wird genannt, der Sozialminister und frühere ÖGB-Präsident wolle es sich mit seinen Gewerkschaftern gerade vor der Wien-Wahl am 11. Oktober nicht verscherzen. Für Kompromisse wäre etwa bei flexibleren Arbeitszeiten ein für die Gewerkschaft unangenehmes Machtwort notwendig. Schon im Frühjahr 2014 hat der ÖGB ein zwischen Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner weitgehend paktiertes Arbeitszeitpaket platzen lassen.

Warum Mitterlehner dann nicht selbst bei Hundstorfer mit mehr Härte auf einen Gipfel und auf Lösungen dränge? Einerseits würde ein Paket auch Punkte beinhalten, die der Wirtschaft wenig behagen (etwa Verschärfungen zur Einstellung älterer Beschäftigter), heißt es. Daran habe der ÖVP-Bundesparteiobmann vor der Oberösterreich-Wahl am 27. September selbst kein Interesse. Andererseits habe Mitterlehner als Vizekanzler seit Ende August als oberster ÖVP-Politiker mit der Asylproblematik allein täglich mehr als genug zu tun.

Der Sozialminister ist in seiner Rolle als Reformprellbock bisher recht erfolgreich. Was den Termin eines Arbeitsmarktgipfels betrifft, so lässt er sich schon seit Längerem nicht mehr in die Karten schauen. Bisher sei dafür kein Termin festgelegt, lautet die lapidare Antwort. Bei neuen Regeln für die Beschäftigung Älterer vergrault Hundstorfer inzwischen allerdings auch SPÖ-Abgeordnete und Arbeiterkammer, die sich von ihm ein Machtwort gegenüber der Wirtschaft erwarten.

Bis 2000 Euro pro Kündigung

Nach „Presse“-Informationen gibt es intern bereits eine Alternative zum Bonus-Malus-System, das die Unternehmen vehement ablehnen. Im Gespräch ist als Ersatz eine höhere Auflösungsabgabe, die bis zu 2000 Euro ausmachen könnte. Derzeit wird diese Abgabe bei der Kündigung eines Mitarbeiters fällig und beträgt 118 Euro.
Die Sozialpartner selbst lassen von heißen Eisen lieber die Finger. Am 5./6. Oktober steht das traditionelle Treffen der Spitzen der Sozialpartnerschaft in Bad Ischl auf dem Kalender. Tagungsthema: digitalisierte Arbeitswelt. Das nimmt sich gegen die umkämpfte Bildungs- und Pensionsreform oder die Rot-Weiß-Rot-Karte zur geordneten Zuwanderung harmlos aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2015)

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