FPÖ will Kanzler vor Gericht und Mandatare an den Pranger stellen

WIEN-WAHL: FP�-WIEN ´ZWEITE PLAKATWELLE´: STRACHE
WIEN-WAHL: FP�-WIEN ´ZWEITE PLAKATWELLE´: STRACHE(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Strache ortet Gesetzesbruch von Mikl-Leitner und Faymann. Die Ministeranklage gilt aber als totes Recht.

Wien. Ob Gesetze eingehalten werden, dürfe nicht von „gutmenschlichen Befindlichkeiten eines Ministers abhängig sein“. Das Recht sei aber gebrochen worden, indem man die Grenze nicht ordentlich gesichert und Flüchtlinge nicht registriert habe. Mit diesen Argumenten wollen FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache und sein Generalsekretär, Herbert Kickl, heute, Mittwoch, Ministeranklagen im Nationalrat einbringen. Diese werden sich gegen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) richten, wie die freiheitlichen Politiker am Dienstag angekündigt haben.

Im Fall einer Ministeranklage kann der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein Regierungsmitglied wegen Gesetzesverletzungen des Amts entheben. Allerdings wird der VfGH sich mit dem aktuellen Streitfall wohl gar nicht inhaltlich beschäftigen müssen, so wie die Ministeranklage realpolitisch generell als totes Recht gilt. Denn für sie bedarf es im Nationalrat eines Mehrheitsbeschlusses, den die jeweils amtierende Koalition aber stets zu verhindern wissen wird.

Keine Ministeranklage seit 1985

Losgelöst vom jetzigen Fall hatte die Koalition erst im Vorjahr bekräftigt, die Ministeranklage nicht zu einem Minderheitenrecht machen zu wollen. Vorausgegangen waren die Worte von Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger. Er hatte in der „Presse“ erklärt, es wäre „demokratiepolitisch zweckmäßig, wenn man ein geringeres Quorum als die Mehrheit vorsieht“. Relevanz hatte die Ministeranklage (die auch Landespolitiker treffen kann) nur im Jahr 1985. Damals wurde Salzburgs Landeshauptmann, Wilfried Haslauer senior, verurteilt, weil er am 8.Dezember 1984 entgegen einer Weisung des Sozialministers erlaubt hatte, die Geschäfte in Salzburg zu öffnen. Angeklagt wurde der ÖVP-Politiker von der rot-blauen Koalition im Nationalrat. Haslauer wurde verurteilt, durfte sein Amt aber wegen des minderschweren Verstoßes behalten. In der Ersten Republik gab es zwei eher kuriose Ministeranklagen gegen den sozialdemokratischen Wiener Bürgermeister Jakob Reumann. 1921 wegen eines „moralischen Skandals“: Er ließ das damals umstrittene Stück „Reigen“ von Arthur Schnitzler im Theater aufführen. Und 1923, weil Reumann die Errichtung eines Krematoriums erlaubt hatte. Der Bürgermeister wurde nicht verurteilt.

Die FPÖ will Politiker der Koalition (und jene der Grünen) aber auch an anderer Stelle anprangern. Hintergrund ist das Durchgriffsrecht des Bunds in Asylfragen. „Die Damen und Herren, die zustimmen, werden sich in großen Inseraten in ganz Österreich wiederfinden“, kündigte er an. Laut FPÖ entmachte die Novelle Gemeinden und mache weitere Lager wie in Traiskirchen möglich. Die Koalition will das Verfassungsgesetz mithilfe der Grünen beschließen, um besser auf Flüchtlingskrisen reagieren können. Und schneller Quartiere für Asylwerber zu schaffen.

Auch Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) warnte am Dienstag in einem Appell an alle Abgeordneten „eindringlich“ davor, den Gesetzesvorschlag in dieser Form zu beschließen. Mödlhammer stört, dass jede Gemeinde 1,5 Prozent der Bevölkerungszahl an Quartieren zwingend zur Verfügung stellen soll. Das würde aber bedeuten, dass Gemeinden, die über keine eigenen Gebäude verfügen oder keine privaten Unterkünfte mobilisieren können, Quartiere errichten müssten. „Wer bezahlt das?“, fragte Mödlhammer, der die generelle Aufnahmebereitschaft der Kommunen betonte.

Strache wegen Verhetzung angezeigt

FPÖ-Chef Strache sagte am Dienstag erneut, dass er für Grenzzäune an Österreichs Grenzen sei, um Flüchtlingsströme aus sicheren Drittländern zu verhindern. Die Überlegungen in der Regierung, Asyl nur mehr auf Zeit zu vergeben, sind für Strache ein reines „Placebo“. Der FPÖ-Chef will, dass bereits nach einem Jahr der Asylgrund geprüft wird.

Indes sieht sich Strache mit einer Anzeige wegen Verhetzung konfrontiert. Hintergrund ist eine Aussendung aus dem Mai mit dem Titel „Marokkaner, Tschetschenen, Kosovo-Albaner, Rumänen – Kriminalität in Wien ist importiert“. Die Menschenrechts-NGO Amira ortet eine Straftat Straches, weil seine Aussendung suggeriere, dass die genannten Gruppen generell kriminell seien.

AUF EINEN BLICK

Parlament. Müssen sich Kanzler Werner Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor dem Verfassungsgerichtshof einer Ministeranklage stellen? Ja, wenn es nach dem Willen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht. Er kündigt für heute, Mittwoch, im Nationalrat einen entsprechenden Antrag an. Seine Begründung: Durch das Offenhalten der Grenzen und den Verzicht einer Registrierung von Flüchtlingen sei Recht gebrochen worden. Eine Mehrheit im Nationalrat müsste dem Antrag zustimmen – was wohl auszuschließen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2015)

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