Ist Strache (noch) aufzuhalten?

Heinz-Christian Strache: FPÖ-Chef seit zehn Jahren.
Heinz-Christian Strache: FPÖ-Chef seit zehn Jahren.(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Burgenland, Steiermark, Oberösterreich: Die Wahlerfolge der FPÖ lassen die Regierungsparteien einigermaßen ratlos zurück. Dabei gäbe es wirksame Methoden, um Rechtspopulisten einzubremsen. Für Wien kämen sie allerdings zu spät.

In der Steiermark: fast verdreifacht. Im Burgenland: stark dazugewonnen und Teil der Landesregierung geworden. In Oberösterreich: verdoppelt. In Wien: Chancen auf Platz eins. Und in den Bundesumfragen: ein All-time High, seit Monaten konstant vor den Regierungsparteien.
Nach zehn Jahren als FPÖ-Chef ist Heinz-Christian Strache an seinem vorläufigen Karrierehöhepunkt angekommen. „Lieber H.-C. Strache, sag, was wird passieren, wenn die Blauen endlich unser Land regieren?“, reimt der Auftragsrapper MC Blue im FPÖ-Clip anlässlich der Wien-Wahl. Und viele Wähler, Freunde wie Feinde Straches, fragen sich längst nicht mehr, ob dieser Fall eintreten wird, sondern nur noch, wann.

Die Rahmenbedingungen stimmen: eine ratlos wirkende Regierung, dazu die Flüchtlinge und eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit. Der FPÖ-Chef könnte untertauchen, auf Ibiza oder sonst wo, man würde seine Partei trotzdem wählen. Sind Strache und die FPÖ noch aufzuhalten? Und wenn ja: Wer oder was könnte sie stoppen?

Eine selbstbewusste Regierung

In seinem Buch „Haiders Schatten“ schreibt der ehemalige BZÖ-Politiker und Jörg-Haider-Sekretär Stefan Petzner, dass Rechtspopulisten nicht auf emotionaler Ebene geschlagen werden könnten, sondern nur auf der Sachebene. Dort seien sie verwundbar, weil sie keine Antworten hätten. Der Politikberater Thomas Hofer hat eine andere These: Nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Politik entschärfe die Freiheitlichen, sondern die Besinnung auf die eigenen Stärken. „Das Problem ist, dass sich SPÖ und ÖVP ausschließlich über ihre Nähe oder Ferne zur FPÖ definieren, anstatt sich selbst zu positionieren.“ Heißt: Die Regierung müsste Reformen angehen, auch wenn sie unpopulär sind. Und ihre Politik entsprechend kommunizieren.

Tut sie das nicht, kommt es bei den Wählern zu einem Vertrauensverlust, der in kritischen Situationen in Existenzangst umschlagen kann – wie sich entlang der Flüchtlingskrise gerade zeigt. Nicht (nur) die vielen Asylwerber haben laut Motivforschung zu diesem Wahlergebnis geführt, sondern die offenbar weitverbreitete Meinung, die Regierungen in Bund und Land seien nicht in der Lage, Lösungen zu finden.

Unglaubwürdige ÖVP. Ein weiterer Grund für das mangelnde Wählervertrauen sei die Sprunghaftigkeit der Regierungsparteien, findet PR-Beraterin Heidi Glück, einst Wolfgang Schüssels Sprecherin. Die ÖVP etwa hätte ihre asylpolitische Linie erst kurz vor der Oberösterreich-Wahl verschärft – aus Furcht vor der FPÖ. „Das konnte nicht gut gehen“, meint Glück. „Man kann eine Strategie ändern, wenn es gute Gründe dafür gibt. Aber ein populistischer Schachzug vor einer Wahl ist durchschaubar und erhöht nicht gerade die Glaubwürdigkeit einer Partei.“

Für Michael Häupl seien das unter Umständen gute Nachrichten. Der Wiener Bürgermeister hat angesichts der Flüchtlingsströme von Anfang an die Parole „Wir schaffen das“ ausgegeben, ähnlich wie Angela Merkel in Deutschland. Glück nennt das Leadership. „Davon könnte Häupl nun profitieren.“

In Bezug auf die FPÖ setzt allerdings auch der Wiener Bürgermeister auf eine Kommunikationsstrategie, die sich überholt hat. Die üblichen Hinweise – Strache sei ein Hetzer, spalte die Gesellschaft etc. – seien „abgedroschen“, sagt der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. „Diese Warnungen wirken nur noch bei einer kleinen Gruppe, die man salopp als Grün-Wähler bezeichnen könnte.“ Wenn man Strache schwächen wolle, müsste man sich etwas Neues einfallen lassen. Oder die jüngere Geschichte heranziehen.

Eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen

Für Bachmayer gibt es nur eine wirksame Methode, um die FPÖ einzubremsen: sie in die Regierung zu holen. Populisten scheitern, wenn sie Kompromisse eingehen müssen und ihre Versprechen nicht halten können. Die schwarz-blaue Phase hat die inhaltlichen und personellen Schwächen der FPÖ freigelegt. Und ihre Anfälligkeit für die Verlockungen der Macht. Die Hypo Alpe Adria ist ein Relikt aus dieser Zeit.

Was nicht heißt, dass es unter Strache genau so wäre. Mit der rot-blauen Koalition im Burgenland läuft seit knapp drei Monaten ein diesbezüglich interessanter Feldversuch. Womöglich kommt mit Schwarz-Blau in Oberösterreich demnächst ein zweiter hinzu.

Populistische Konkurrenz

Auch populistische Konkurrenten können der FPÖ schaden. Ein Großteil wählt Strache aus Protest. Treu ist diese Gruppe nicht. Gibt es Alternativen zur FPÖ, verteilt sie sich auf mehrere Parteien. Frank Stronach hat das bei der Nationalratswahl 2013 bewiesen und, nach seinem bizarren Todesstrafen-Exkurs, noch 5,7 Prozent ins Ziel gerettet. Auch das BZÖ war damals noch am Leben und holte immerhin 3,5 Prozent, wiewohl das für den Verbleib im Nationalrat zu wenig war. Mit den Stronach- und den BZÖ-Stimmen wäre die FPÖ damals stärkste Partei geworden.

Aus welcher Richtung die Konkurrenz kommt, spielt eine untergeordnete Rolle. Hans-Peter Martin, der mit seiner Globalisierungskritik eher der linken Ecke zuzuordnen war, nahm der FPÖ genauso Stimmen weg. Eines haben die Minipopulisten gemeinsam: Ihr Stern verglüht schnell. Weshalb Strache nun wieder das Wutbürger-Monopol hat.

Die FPÖ schadet sich selbst

Wer Populisten das Handwerk legen möchte, dem empfiehlt Stefan Petzner auch: ignorieren. Nichts habe Haider mehr vergrämt, als nicht beachtet zu werden. Gegen den extrem narzisstischen Haider, der die Bühne brauchte, die permanente Fremdbestätigung, mag das ein Rezept gewesen sein. Doch Strache ist hier anders. Geduldiger, disziplinierter. Er kann sich auch einmal zurückziehen, kann warten. Das senkt das Risiko, sich selbst zu schaden.

Allerdings hat auch die FPÖ ein gewisses Selbstzerstörungspotenzial. Unter Haider wurde sie zwischen den unterschiedlichen Interessen und Flügeln zerrissen. „Man konnte sich nicht zwischen Regieren und Opponieren entscheiden“, erinnert sich Ex-Schüssel-Sprecherin Heidi Glück an Schwarz-Blau zurück. Der Rest ist Geschichte. Und es ist nicht gesagt, dass sie sich unter Strache nicht wiederholt, wenn die FPÖ eines Tages wieder regieren sollte.

Kein „Leihstimmen-Effekt“. Für die Wien-Wahl am kommenden Sonntag dürften alle Strategien gegen Strache zu spät kommen. Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer glaubt auch nicht an den „Leihstimmen-Effekt“, auf den die Sozialdemokraten hoffen: Dass also viele, die unter anderen Umständen nicht SPÖ gewählt hätten, dieses Mal Häupl ihre Stimme geben, um Strache zu verhindern. Und man deshalb vorn bleibt. Diese Rechnung, sagt Bachmayer, könne nicht aufgehen: Mit der Zuspitzung auf das Match Häupl/Strache erreiche die SPÖ zwar eine Wählermobilisierung. Aber auf beiden Seiten.

Kein Meinungsforscher wagt derzeit zu prognostizieren, ob am Abend des 11. Oktober die Sozialdemokraten oder die Freiheitlichen vorn sein werden. Die Oberösterreich-Wahl jedenfalls verheißt für Häupl nichts Gutes, wenn man drei Parameter heranzieht: Dort startete die FPÖ auf einem Niveau von 15 Prozent, in Wien sind es 25 Prozent. Der Pühringer-Bonus ist sicher größer als der Häupl-Bonus. Und das Thema Zuwanderung, zu dem in den maßgeblichen Wählerschichten auch die Kriegsflüchtlinge gezählt werden, wiegt in der Stadt viel schwerer als auf dem Land.

WAHLEN

Oberösterreich. Während sich die FPÖ bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag auf 30 Prozent verdoppelte, schlitterten ÖVP und SPÖ in ein Debakel. Die ÖVP fiel auf 36,4 Prozent zurück, die SPÖ auf 18,4 Prozent.

Wien. Bei der Gemeinderatswahl am kommenden Sonntag drohen der SPÖ (derzeit 44 Prozent) starke Verluste. Sie könnte sogar von der FPÖ überholt werden, die derzeit bei 25,8 Prozent hält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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