Wifo-Chef: Flüchtlingskrise bewältigbar

Karl Aiginger hält die Probleme für Lösbar, sieht aber auch einen
Karl Aiginger hält die Probleme für Lösbar, sieht aber auch einen "ungünstigen Zeitpunkt" für die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Aiginger plädiert für eine kombinierte Arbeitsmarkt- und Flüchtlingsstrategie. Man dürfe auch die mittelfristigen Erträge des Zuzugs nicht vergessen.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Karl Aiginger, hält die Probleme angesichts der Flüchtlingsbewegungen nach Europa für lösbar. Zur Bewältigung der Herausforderungen am heimischen Arbeitsmarkt fordert er eine kombinierte Arbeitsmarkt-und Flüchtlingsstrategie, man dürfe die Bereiche nicht gesondert betrachten. Leicht werde es freilich nicht, sagte er in der ORF-"Pressestunde". Denn dann werde man für die heuer erwarteten 30.000 Asylberechtigten auch Jobs finden.

Aiginger erinnerte am Sonntag daran, dass Österreich in der Vergangenheit von Zuzug profitiert habe. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe das Land zahlreiche Flüchtlinge und Migranten aufgenommen und sei in dieser Zeit zu einem der fünftreichsten Länder Europas geworden - und die Beschäftigungsquote sei stark gestiegen.

Betroffenen von "sehr viel weiter" her

Dennoch sei das nunmehrige Problem anders als bei den bisherigen Flüchtlingsbewegungen, sagte Aiginger. Denn die Betroffenen würden von "sehr viel weiter" her kommen, teilweise aus einem anderen Kulturkreis. Österreich habe heute eine höhere Arbeitslosigkeit und auch eine hohe Staatsverschuldung, so gesehen sei es ein "ungünstiger Zeitpunkt" für die Aufnahmen von weiteren Flüchtlingen. "Dennoch ist das Problem wahrscheinlich zu managen", sagte der Wifo-Chef.

Zu den zu erwartenden Kosten meinte Aiginger, das Wifo gehe derzeit von 500 Mio. Euro für 2015 und 750 Mio. Euro für 2016 aus. Die Arbeitslosigkeit werde kurzfristig um etwa 0,1 Prozentpunkt ansteigen. Gleichzeitig betonte er, dass er ab etwa dem dritten Jahr damit rechne, dass der Zuzug von Flüchtlingen volkswirtschaftlich gesehen auch Erträge liefere. "Man darf nicht nur die Kostenseite, sondern auch die mittelfristige Ertragsseite sehen."

Einzelpersonen sollen Geschäfte am Sonntag öffnen dürfen

Auch forderte Aiginger einen kreativen Umgang mit der Bewältigung der zu erwartenden Probleme ein: Das AMS müsse ausreichend Schulungen und Deutschkurse anbieten. Jugendliche Flüchtlinge könnte man etwa via Handy-Apps und Gewinnspielen zum Deutschlernen motivieren, so ein Vorschlag des Wifo-Chefs. Auch die Selbstständigkeit sei ein Weg, Asylberechtigte am Arbeitsmarkt unterzubringen. So könne man etwa Einzelpersonen die Möglichkeit einräumen, am Sonntag Geschäfte aufzusperren.

Gefragt, ob der ÖVP-Vorschlag nach einem "Asyl auf Zeit" (grundsätzliche neuerliche Überprüfung der Asylberechtigung nach drei Jahren) sinnvoll ist, sagte Aiginger: "Das ist ein Vorschlag, der nicht sinnlos ist - eine ganz große Reduktion wird nicht herauskommen." Er verwies darauf, dass schon jetzt die Möglichkeit besteht, Flüchtlingen den Asylstatus nach fünf Jahren abzuerkennen. "Es ist ein kleiner Vorschlag, ein großes Problem eine Nuance kleiner zu machen." Auch gab er zu bedenken, dass es schwer sein werde, Betroffene, die sich nach drei Jahren gut integriert haben, zu überzeugen, wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.

Investitionsprogramme in Krisenherden

Grundsätzlich gelte es, das Problem an der Wurzel anzupacken: Aiginger wünscht sich Investitionsprogramme in jenen Ländern, aus denen die Flüchtlingen kommen - auch nach Ende der Kriegshandlungen, um vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen. "Europa muss in diese Länder investieren." Weiters hält er die geplante Einrichtung von "Hotspots" zur Registrierung der Flüchtlinge für dringend notwendig, auch müsse die EU Flüchtlingslager vor Ort errichten.

Den Forderungen nach einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU schloss sich Aiginger an. "Das hat in kleinen Ansätzen jetzt schon begonnen." In jedem Fall brauche es "Willkommenssignale" aus allen EU-Ländern, auch jenen, die derzeit nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen - "Busse und Züge müssen bereitstehen", so Aiginger. Aufnahmeländer "können und müssen" aber auch finanziell unterstützt werden, betonte der Wifo-Chef. Das dafür benötigte zusätzliche Geld könnte aus nicht verwendeten Finanzmitteln der auslaufenden EU-Finanzperiode kommen. Auch müssten die diesbezüglichen Ausgaben vom Fiskalpakt ausgenommen werden. Grundsätzlich handle es sich aber um eine "Frage der Humanität", nicht nur um eine ökonomische.

(APA)

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