Flüchtlinge: Wien trägt zwei Drittel der Last

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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12.850 von 19.000 derzeit arbeitslosen Schutzberechtigten leben in Wien. Auf dem Wohnungsmarkt ist es jetzt schon eng. Die Kosten für die Mindestsicherung werden deutlich steigen.

Wien. Zwei Drittel aller Asylwerber, die nach Österreich kommen, wohnen nach dem positiven Abschluss ihres Verfahrens in Wien. Nicht, weil sie der Stadt zugeteilt wurden, sondern weil sie aus den Bundesländern hierherziehen. Das kann man aus den Daten des Arbeitsmarktservice ableiten. Anfang Oktober waren das 12.850 von insgesamt 19.000 arbeitssuchenden Flüchtlingen österreichweit. Welchen Einfluss haben die neuen Bewohner auf die Stadt? Ein Überblick.

• Wohnen.
Wer Asyl bekommt, muss aus seinem Quartier ausziehen und sich eine Wohnung suchen. Dabei haben Flüchtlinge meist keine guten Chancen. „Für Flüchtlinge, die kein Deutsch sprechen und Mindestsicherung beziehen, ist es de facto unmöglich, eine Wohnung zu finden“, sagt Alexandra Adam, Leiterin der Wohndrehscheibe der Volkshilfe. Deswegen rücken viele zusammen. Vier Personen, die sich eine 40-Quadratmeter-Wohnung teilen und dafür 800 Euro Miete pro Monat zahlen, sind die Regel, nicht die Ausnahme. Vermittelt werden die überteuerten Unterkünfte oft von Arabisch oder Farsi sprechenden „Maklern“, die sich auf ihre eigenen Landsleute spezialisiert haben.

Zwar steht anerkannten Flüchtlingen rechtlich der Zugang zu Gemeindewohnungen offen, aber erst, nachdem sie zwei Jahre ihren Lebensmittelpunkt in Wien hatten. Als dritte Schiene bleiben daher Hilfsprogramme, mit denen gezielt Wohnungen für Flüchtlinge gesucht werden. Das Rathaus hat eine Wohnraumspende-Plattform eingerichtet und dort bereits 260 Unterkünfte angeboten bekommen. Caritas und Diakonie betreiben ähnliche Programme.


• Jobs.
Zwei Drittel aller anerkannten, hierzulande als arbeitssuchend gemeldeten Flüchtlinge sind in Wien vorgemerkt. Bis sie für den Arbeitsmarkt bereit sind, wird es aber dauern. Rund ein Jahr braucht ein fleißiger Schüler, bis er ausreichend Deutsch spricht. Danach findet sich dennoch der Großteil im Sektor der Niedriggebildeten wieder. Dort, wo der Migrantenanteil jetzt schon hoch ist. Laut Statistik haben 82,3 Prozent der beim AMS gemeldeten Flüchtlinge höchstens einen Pflichtschulabschluss. 14,7 Prozent haben eine Ausbildung, die mit dem Lehrabschluss vergleichbar oder höher ist.

Bildung. Schon jetzt haben 60 Prozent der Wiener Pflichtschüler eine andere Muttersprache als Deutsch. Mit den Flüchtlingskindern wird der Anteil weiter steigen. Die Stadt versucht, sich mit Neu-in-Wien-Klassen darauf einzustellen. Diese sollen maximal ein Jahr dauern und dazu dienen, schnell Deutsch zu vermitteln.

Auch bei den nicht schulpflichtigen Kindern ist die Stadt aktiv geworden. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge will Wien ab Jänner ein eigenes College betreiben (Kosten: sechs Mio. Euro). Danach sollen die Teenager in Regelsysteme wie Lehre, Schule oder Universität eingegliedert werden. Damit soll verhindert werden, dass junge Menschen mit Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung aufgefangen werden müssen.

Kosten. Die Kosten teilen sich in drei Bereiche: Grundversorgung, Integrationsmaßnahmen und Notunterkünfte. Bei der Grundversorgung werden die Kosten zu 60 Prozent vom Bund und zu 40 Prozent von den Ländern getragen. Sobald Asylwerber einen positiven Bescheid haben, müssen sie für sich selbst sorgen. Schaffen sie das nicht, können sie um Mindestsicherung ansuchen. Die muss Wien allein finanzieren. Im Vorjahr zahlte das Rathaus 482 Mio. Euro Mindestsicherung an 160.152 Bezieher aus. Der Anteil der Flüchtlinge beträgt laut Flüchtlingskoordinator Peter Hacker rund 18 Prozent. Darin enthalten sind auch Personen, die schon vor längerer Zeit Asyl in Österreich bekamen.

Wie viel die Notunterkünfte am Ende kosten werden, weiß derzeit noch niemand. Hier will die Stadtregierung das Innenministerium zur Kasse bitten.

IN ZAHLEN

Mehr als 12.000 der knapp 19.000 arbeitslosen Flüchtlinge leben in Wien.

Etwa 18 Prozent der 160.000 Bezieher von Mindestsicherung in Wien sind Flüchtlinge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2015)

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