Ministerrat: Was Reformen verhindert? Wahlen!

Nicht drohen, aber mehr Tempo bei der Sacharbeit: Darum geht es Vizekanzler Mitterlehner (jeweils links im Bild), wie er Kanzler Faymann nach dem Ministerrat belehrte.
Nicht drohen, aber mehr Tempo bei der Sacharbeit: Darum geht es Vizekanzler Mitterlehner (jeweils links im Bild), wie er Kanzler Faymann nach dem Ministerrat belehrte.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Mitterlehner gibt Wahlkämpfen Schuld an mangelnder Reformarbeit der Koalition. In der Flüchtlingsfrage treibt die ÖVP die SPÖ vor sich her: Verschärfungen schon ab Dezember.

Wien. Viel gab es nicht zu tun. In gerade einmal 30 Minuten war die Routinesitzung der Regierung am Dienstag abgespult. Weil Bundeskanzler Werner Faymann anschließend zum Abflug auf die griechische Insel Lesbos (Bericht siehe Seiten 4/5) musste, durften die Journalisten im Pressefoyer nach dem Ministerrat nur drei Fragen an die Regierungsspitze richten. Dennoch, es war genug Zeit, dass Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner seine in der Vorwoche gelegte Koalitions-Sprenggranate entschärfte.

Faymann bestätigte den seit Wochen von der Regierung vermittelten Eindruck, die ÖVP gebe bei strengeren Asylvorschriften das Tempo vor und die SPÖ folge – notgedrungen. Die für Faymann wichtigste Botschaft brachte Mitterlehner von sich aus vor. In der Vorwoche hatte er im Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ die Republik mit einem möglichen Koalitionsende aufgeweckt: „Wenn wir nicht in nächster Zeit – und damit meine ich die nächsten Monate – deutlich beweisen, dass wir regieren wollen, dann hat es keinen Sinn, auf Dauer weiterzuwurschteln.“ Ein Mann, ein Wort. Bis gestern. Da wollte er das nicht als Drohung mit dem Koalitionsende verstanden wissen: „Ein Konditionalsatz ist ein Konditionalsatz.“ Und weiter: „Ansonsten kann man die Aufregung herunterschrauben.“

„Sachliche“ Koalitionsarbeit

Ansonsten beschwichtigte er, sei die Beziehung in der Koalition „eigentlich sachlich ausgerichtet“. Es sei bloß die Regierungsarbeit zu „akzentuieren“. Der Vizekanzler bemühte damit eines seiner Lieblingswörter. Der Bundeskanzler sagte dazu gar nichts. Mitterlehner knüpfte inhaltlich bei seiner Nichtdrohung aus der Vorwoche an: Neben dem Flüchtlingsthema gebe es noch andere Fragen, die den Bürgern Angst machten.

Was denn die Regierung zuletzt gehindert habe, andere Probleme wie den Arbeitsmarktgipfel anzugehen? Niemand, oder? Diese Sicht der Dinge teilt Mitterlehner keineswegs: „Das ist objektiv nicht richtig!“ Dann führte er gleich mehrere Gründe ins Treffen: Bei jeder Pressekonferenz sei zuletzt die Flüchtlingsthematik im Vordergrund gestanden; bei der Bildungsreform gebe es einen Zeitplan bis 17. November; einen Arbeitsmarktgipfel sieht er durch das Beharren der Gewerkschaft auf der sechsten Urlaubswoche („das wird es nicht spielen“) blockiert.

Der ÖVP-Chef verwies freilich wegen der fehlenden Reformen auch auf einen Ausspruch des Wiener Bürgermeisters, Michael Häupl (SPÖ), der Wahlkämpfe als „Zeit fokussierter Unintelligenz“ eingestuft hatte. Für den Vizekanzler ist der Wahlkampf mit schuld am Reformstillstand: „Was uns gehindert hat“, so sagte er, seien sicherlich die Wahlvorbereitungen in den beiden Bundesländern Oberösterreich und Wien gewesen. Bundeskanzler Faymann schwieg dazu.

Allerdings, bei Verschärfungen im Asylrecht macht die ÖVP nicht nur vor der Oberösterreich-Wahl, sondern nun auch vor der Wahl in Wien Druck. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat, wie in der „Presse am Sonntag“ berichtet, bereits am Wochenende Gesetzesentwürfe vorgelegt. Demnach sind Asyl auf Zeit und eine generelle Überprüfung des Asylstatus schon nach drei Jahren geplant, ebenso deutliche Einschränkungen beim Familiennachzug. Der ÖVP kann es nicht schnell genug damit gehen. Mitterlehner kündigte daher erstmals an, dass die Verschärfungen schon mit 1. Dezember 2015 in Kraft treten sollen.

Faymann muss erst prüfen

Dazu musste Faymann auf Nachfrage schließlich Stellung nehmen. Mit Asyl auf Zeit hat er als „Signal“ kein Problem. Beim Familiennachzug räumte er ebenfalls ein: „Das kann man nicht vom Tisch wischen.“ Mit Entscheidungen ist vor der Wien-Wahl nicht mehr zu rechnen, denn diese Änderung müsse geprüft werden. Auch SPÖ-intern offenbar. Denn SPÖ-Chefverhandler, Verteidigungsminister Gerald Klug, hat den Plan jüngst im „Presse“-Interview klar abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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