Asylkrise: Flüchtlinge kosten Wien 27 Millionen Euro

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Einen Monat nach Beginn des Flüchtlingsansturms und wenige Tage vor der Wahl am Sonntag legt Wien jetzt ein Integrationspaket vor.

Wien. Einen Monat nach Beginn des Flüchtlingsansturms zogen Bürgermeister Michael Häupl, Sozialstadträtin Sonja Wehsely und der Wiener Flüchtlingskoordinator, Peter Hacker, eine erste Bilanz. Und gaben damit, demonstrativ fünf Tage vor der Wien-Wahl (die Häupl, aufgehängt auf dem Flüchtlingsansturm als Richtungsentscheidung gegen die FPÖ inszeniert), erstmals konkrete Zahlen bezüglich der Betroffenheit von Wien samt neuen Maßnahmen bekannt.

Rund 27 Millionen Euro wird Wien heuer für Flüchtlinge ausgeben, die restlichen Kosten (insgesamt sind es 75 Mio. Euro) trägt der Bund. In Richtung von jenen, die meinen würden, „die Flüchtlinge bekommen so viel Geld, wir Wiener aber nichts“, erklärte Wehsely: Diese 27 Millionen Euro entsprächen einem halben Pflegewohnheim. Und von denen habe die Stadt in den letzten Jahren acht gebaut – nur für die Wiener. Dazu wird Wien am 1. November die Flüchtlingsunterkunft in Erdberg mit 600 Personen offiziell übernehmen. Erdberg soll reduziert und speziell für Flüchtlingsfamilien adaptiert werden.

Zu den weiteren Kernzahlen: Seit Anfang der Flüchtlingswelle sind 170.000 über die Grenzen nach Österreich gekommen, davon 130.000 über die ungarische. Von diesen 130.000 Menschen, die seit Anfang September nach Wien kamen, haben nur rund 3000 in Wien um Asyl angesucht. „Das sind drei Prozent“, erklärte Hacker. Derzeit laufen in Wien insgesamt 12.000 Asylverfahren.

113.491 Übernachtungen

Fast alle Flüchtlinge wollten nur durch Wien durchreisen, mussten aber meist in der Bundeshauptstadt übernachten, um die Weiterfahrt in Richtung Deutschland antreten zu können. Dafür musste Wien kurzfristig Quartiere aufstellen. Laut Hacker waren es genau 113.491 Übernachtungen, welche die Stadt organisiert hat: „Zwei Drittel aller österreichischen Notunterkünfte sind in Wien“, erklärte der Wiener Flüchtlingskoordinator.

Von jenen Flüchtlingen, die in Wien um Asyl angesucht haben und hier bleiben, sind 60 Prozent in privaten Quartieren, 40 Prozent „organisiert“ (zum Beispiel bei NGOs) untergebracht. Wobei Wehsely festhielt: In organisierten Unterkünften bekommen Flüchtlinge (im Rahmen der Grundversorgung) ein Taschengeld von 40 Euro pro Monat. Wer privat wohnt, muss Lebensmittel und Miete selbst bezahlen, bekommt monatlich maximal 320 Euro.

Zahlen steigen wieder an

Wie geht es nun weiter? Nach ruhigeren Tagen zeichnet sich wieder ein Anstieg ab: „Wir hoffen, dass wir mit 8000 Plätzen durchkommen. Aber haben noch eine Halle, die wir öffnen können“, erklärte der Flüchtlingskoordinator.

Aufgrund des Flüchtlingsansturms adaptiert die Stadt ihre Integrationsmaßnahmen: Bisher wurde mit Deutschkursen erst nach positivem Abschluss des Asylverfahrens begonnen. Da absehbar ist, dass ein Großteil der Asylsuchenden auch Asyl bekommen wird, bietet die Stadt ab 2016 Deutschkurse für jeden Asylwerber, der einen Kurs besuchen will – auch wenn noch nicht klar ist, ob die betreffende Person tatsächlich Asyl bekommt. Die Details stehen noch nicht fest, die Planungen (für Lehrkräfte, Kurse, Orte) laufen gerade an. Wobei der Kursbesuch nur auf freiwilliger Basis stattfindet. „Gezwungen wird keiner“, so Wehsely. Wobei es diese Deutschkurse für unbegleitete Minderjährige bereits gibt.

Nebenbei: Um Konflikte zu vermeiden, wurden in Flüchtlingsunterkünften Plakate aufgehängt, die Flüchtlingen die Spielregeln der Stadt näherbringen.

AUF EINEN BLICK

Wien hat am Dienstag, einen Monat nach Beginn der großen Flüchtlingswelle und fünf Tage vor der Wien-Wahl, die ersten Daten bezüglich der Kosten (27 Millionen Euro) und des organisatorischen Einsatzes für die Stadt Wien vorgelegt. Gleichzeitig wurde ein Integrationspaket geschnürt: Ab 1. Jänner werden Deutschkurse für Asylwerber auf freiwilliger Basis angeboten. Bisher bekamen diese einen Deutschkurs erst, nachdem ihr Asylverfahren positiv beendet worden war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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