Wahlplakate: Hitlerbärtchen für den Machthaber

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Das Institut für Graffiti-Forschung hat die Beschmierungen auf Wahlplakaten untersucht. Derart emotional waren die Reaktionen zuletzt 1994. Auf Häupl und Strache wird heftig reagiert, auf Juraczka hingegen gar nicht.

Wien. Es reicht vom Hitlerbärtchen über obszöne Beschimpfung bis hin zu Statements wie „Was hast du bis jetzt gemacht?“ auf einem SPÖ-Plakat mit Michael Häupl. Was die Wiener wirklich von den zur Wahl stehenden Kandidaten halten, wird sich zwar erst am Sonntag zeigen. Schon jetzt lässt sich aber die Stimmung erahnen – zumindest unter jenen Menschen, die ihre Meinung auf Wahlplakaten kundtun.

„Wir haben insgesamt 30 Wahlkämpfe dokumentiert. So heftig wie bei dieser Wahl war es zuletzt bei der Abstimmung zum EU-Beitritt 1994“, sagt Norbert Siegl, Leiter des Instituts für Graffiti-Forschung, über das Ausmaß an Beschmierungen. Das Institut hat die durch Bürger veränderten Wahlplakate in einer Onlinegalerie gesammelt (Link unter www.facebook.com/graffiti.forschung). Darunter finden sich in erster Linie Beschmierungen, aber auch Übermalungen bis hin zu Demontagen.

Asyl, Arbeitsplätze und Duell

Inhaltlich drehen sich die Kommentare um das Thema Asyl, die Konfrontation zwischen SPÖ und FPÖ sowie um Arbeitsplätze und Armut. So wurde etwa ein SPÖ-Plakat zum Thema Arbeitsplätze mit dem Satz „Bis jetzt hast Du alle Arbeitsplätze vernichtet“ versehen. Auf einem Strache-Plakat mit dem Slogan „Wählt so, wie Ihr denkt, weil wir Eure Sorgen ernst nehmen“ hat jemand dazugeschrieben: „Sie sind meine größte Sorge“ – eine vergleichsweise höfliche Aussage. Beim Großteil der Kommentare handelt es sich um Beschimpfungen, oft weit unter der Gürtellinie.

Einfachstes und häufigstes Symbol auf Wahlplakaten ist nach wie vor das Hitlerbärtchen. „Das findet sich unabhängig jeder Gesinnung auf Plakaten der Machthaber. Es geht schnell und gilt als Machtsymbol. Jeder Machthaber kriegt ein Hitlerbärtchen, bis hin zu kleinen Kandidaten auf Bezirksebene“, sagt Siegl. Auch Anarchie-Zeichen und Hakenkreuze sind häufig zu sehen.

Die meisten Beschmierungen finden sich auf Plakaten, die Bürgermeister Michael Häupl oder Heinz-Christian Strache abbilden. „Diejenigen, die sehr viele Interventionen auf Plakaten bekommen, sind Kandidaten, die die Leute bewegen und interessieren, im positiven und negativen“, sagt Siegl. Je mächtiger ein Kandidat ist oder wahrgenommen wird, desto heftiger wird also auf ihn reagiert.

Das zeigt sich auch im Umkehrschluss bei Neos-Plakaten. „Da gibt es sogar relativ sachliche Kommentare. Auf die Neos wird nicht so extrem reagiert, von ihnen erwartet sich niemand eine große Gefahr.“ Im Gegensatz offenbar zu Strache und Häupl, die besonders oft beschimpft werden. Bei Häupl wird aber auch gern auf dessen Gemütlichkeit angespielt. „Ob in Brüssel, ob in Genf, i wü Leberkas mit Senf“, steht da etwa geschrieben.

Auch Plakate der Grünen blieben selten verschont. Und hier vor allem jene, die Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou abbilden. „Sie erntet jede Menge Kritik, gegen ihr Aussehen, ihre Handlungen, aber auch aus Fremdenfeindlichkeit. Da gibt es Sprüche wie ,Ab mit ihr nach Griechenland‘“, so Siegl.

Nur ÖVP wird nicht beschmiert

Beschmierte ÖVP-Plakate finden sich hingegen kaum in seiner Sammlung. „Am wenigsten wird auf ÖVP-Plakate reagiert, diese sind den Leuten ziemlich egal.“

Wer die Beschmierer sind, will er nicht wissen. „Das wäre Schnüffelei“, sagt Siegl. Es handelt sich aber nicht nur um Privatpersonen. „Teilweise gibt es eine lange Tradition, vor allem bei der SPÖ auf Bezirksebene. Da marschieren Anhänger in der Nacht los und zerlegen FPÖ-Plakate. Das dürfte eine alte Sozi-Tradition sein.“ Auf die allerdings auch der politische Mitbewerb längst reagiert hat. (ks)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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