Studie: Steuerliche Entfesselung der Länder

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Sollen die Länder ihre eigenen Steuern einheben dürfen? Ja, sagen die Ökonomen Franz Schellhorn und Christian Keuschnigg: Steuerwettbewerb wäre für Bürger und Staat von Vorteil.

Wien. Man wird ja wohl noch rechnen dürfen, haben sich die Ökonomen Franz Schellhorn (Agenda Austria), Christian Keuschnigg (Uni St. Gallen) und Simon Loretz (IHS) wohl gedacht – und ein gar revolutionäres Steuerkonzept für Österreich kalkuliert: „Steuerliche Entfesselung der Länder“, könnte man es nennen – in grober Anlehnung an den Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger, dessen Partei einer Steuerautonomie der Länder ja tatsächlich aufgeschlossen gegenübersteht.

Darum geht es im Konzept von Schellhorn, Keuschnigg und Loretz: Die Länder sollen einen Teil der Steuerhoheit bekommen, um eigene Einnahmen zu erzielen. Gleichzeitig soll sich der Bund zurückziehen – ohne Einbußen zu haben. Denn die Länder sollen sich über die selbst festgesetzten Steuern nur holen, was sie derzeit per Finanzausgleich ohnehin erhalten.

Im Idealfall keine Verlierer

Der erhoffte Effekt: mehr Wettbewerb, weniger Belastung der Bürger – und sogar eine spürbare Ankurbelung der Wirtschaft. Konkret versprechen sich die Ökonomen einen BIP-Effekt von plus 1,7 Prozent. Dazu käme, dass die Lohn- und Einkommensteuersätze im Schnitt um 1,5 Prozentpunkte gesenkt werden könnten. Diese positiven Effekte sollen allein aus dem Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern entstehen. Verlierer gäbe es im Idealfall keine, so Keuschnigg.

Konkret soll der Plan so umgesetzt werden: „Zunächst senkt der Bund seine Steuersätze und lässt im Gegenzug die Länder einen einheitlichen lokalen Zuschlag von 7,3 Prozent Lohn- und Einkommenssteuer einheben. Dann setzt der Wettbewerb ein.“ Die Ökonomen versprechen sich dadurch ein sinkendes Gesamtsteueraufkommen für die Bürger – und einen Wachstumsschub für die Länder (siehe Grafik, rote Balken).

Sollte es im Zuge dieser Reform auch zu einem ausgebauten direkten Finanzausgleich zwischen reicheren und ärmeren Ländern kommen – ein Punkt, um den laut Keuschnigg sicherlich viel gestritten würde – dann könnten die ärmeren Länder einen „zusätzlichen Schub“ erhalten (siehe Grafik, graue Balken), da diese „mit den empfangenen Mitteln dringende Ausgaben tätigen und auch Steuern senken könnten, was das regionale Wachstum begünstigt“.

Aber selbst ohne direkten Finanzausgleich zwischen den Ländern verspricht sich Franz Schellhorn sofortige Effekte einer Aufwertung der Länder: „Zu Beginn des Wettbewerbs würden die Länder sicherlich danach trachten, auf dieselben Einnahmen zu kommen wie im alten System. Also müsste Vorarlberg etwa 6,35 Prozentpunkte aufschlagen, weil es günstig verwaltet ist. Beim Burgenland sind es schon fast acht Prozentpunkte.“

Irland als Vorbild

Danach könnten die Länder zu unterschiedlichen Strategien greifen, um sich Vorteile im Standortwettbewerb zu verschaffen: „Sie könnten höhere Zuschläge einheben, um allgemein erwünschte Großprojekte zu finanzieren. Oder ihren Zuschlag absenken, um Betriebe und Steuerzahler anzulocken und durch den Zuzug mehr einnehmen als vorher – trotz niedrigerer Steuersätze.“ Ein positives Beispiel für diesen Mechanismus sei Irland. Das einstige Krisenland hat die Gelder der EU genutzt, um den Standort aktiver zu machen – und die Steuern zu senken. Die großen US-Konzerne haben nicht lange auf sich warten lassen.

Auch gehen Steuerhoheit und direkte Demokratie Hand in Hand, so die Ökonomen – wie etwa das Beispiel der Schweiz zeige. Dort können Bürger darüber abstimmen, ob sie für bestimmte Großprojekte höhere Steuern akzeptieren würden. „Dezentrale Politik ist näher am Bürger“, sagt Keuschnigg. Und Schellhorn betont: „Wir reden natürlich nicht davon, dass die Länder den Bund abschaffen sollen. Nur davon, dass die Länder einen Teil ihrer Ausgaben selbst einheben und sich in der Folge auch dafür rechtfertigen müssen.“ (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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