Spurensuche: Die Handschrift des Michael Häupl

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WIEN-WAHL: H�UPL BESUCHT FL�CHTLINGSUNTERKUNFT(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Spurensuche. Wie sich die Stadt in der mehr als 20-jährigen Ära Häupl verändert hat.

Wien. „Wer, wenn nicht er?“ Mit dem Wahlslogan, mit dem Wolfgang Schüssel in den Nationalratswahlkampf 2002 gegangen war, könnte man den nun abgeschlossenen Wahlkampf der Wiener SPÖ auf den Punkt bringen; ist dieser doch voll auf die Person von Michael Häupl zugeschnitten.

Und das hat seinen Grund: Die Beliebtheitswerte des Bürgermeisters liegen deutlich über jenen seiner Partei – die SPÖ ist im Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ auf Häupl angewiesen, der seit 1994 als Bürgermeister regiert. Doch wie hat sich Wien seitdem verändert? Mit welcher Bilanz tritt Häupl, der zum letzten Mal als Wiener Bürgermeister kandidiert, an diesem Sonntag vor die Wiener Wähler? Eine Spurensuche.

Hochhaus-Boom, Ostöffnung

Begonnen hatte die Ära Häupl mit einem Fehlstart. Als sich der frühere Umweltstadtrat 1996 zum ersten Mal als Bürgermeister einer Wahl stellte, verlor die Wiener SPÖ erstmals in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit, während Jörg Haider triumphierte. Häupl musste sich die ÖVP als Koalitionspartner ins Boot holen. Unter Rot-Schwarz begann das Zeitalter der Hochhäuser, die fast überall in Wien aus dem Boden schossen – nicht nur bei der Donauplatte, die bis heute nur in Teilen funktioniert. Nur: Investoren wurde völlig freie Hand bei Hochhäusern gelassen – oft mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Stadtbild, was heftige Konflikte nach sich zog.

In die Ära Häupl fiel auch die Ostöffnung, im Zuge derer sich Wien laut Wirtschaftsforschern durchaus gut als Brückenkopf in den Osten positionieren konnte – auch wenn die damals oft beschworene Region Centrope nur auf dem Papier existiert. Den Strukturwandel, weg von Industrie/Produktion, hin zum Dienstleistungsstandort, hat die Stadt laut Wirtschaftsforschern ebenfalls nicht schlecht geschafft.

Ein Schatten auf die Wirtschaftsbilanz fiel allerdings in den vergangenen Jahren: Um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, erreicht Wien durch Deficit Spending einen Rekordschuldenstand von fünf Milliarden Euro. Sparen? Beispielsweise bei den überproportional hohen Beamtenpensionen, wie der Rechnungshof gefordert hatte? Das wollte Häupl, der mehr als Verwalter denn als Visionär gilt, nicht.

Unter Häupl wurde jedenfalls die Brot-und-Spiele-Politik massiv ausgebaut, die sein Vorgänger Helmut Zilk schon eingeleitet hatte: ein größeres Donauinselfest, der Silvesterpfad, Wiener Eistraum, Life Ball etc. – der Song Contest im Mai bildete den symbolischen Höhepunkt. Daneben entstanden in Wien in den vergangenen 20 Jahren aber zahlreiche In-Grätzel wie Summerstage, und Naschmarkt, und es gelang die Belebung der Stadtbahnbögen am Gürtel etc.

2010 hat Häupl jedenfalls österreichische Polit-Geschichte geschrieben – mit der ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene. Und diese steht, neben der Person Michael Häupl, am Sonntag auf dem Prüfstand der Wiener Wähler.

ZUR PERSON

Michael Häupl regiert seit 21 Jahren die Bundeshauptstadt als Bürgermeister. Damit steht am Sonntag nicht nur die erste rot-grüne Koalition Österreichs auf Landesebene auf dem Prüfstand der Wähler, sondern auch die Ära Häupl – nachdem der Wahlkampf der Wiener SPÖ fast ausschließlich auf ihren Spitzenkandidaten zugeschnitten war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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