Fällt der Herzog, fällt der Mantel

Faymann und Häupl
Faymann und Häupl(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Kanzler Werner Faymann könnte ab 12. Oktober einfach so weiterregieren wie bisher, glauben politische Beobachter. Aber so einfach ist das nicht. Der Druck und die Angst werden in jedem Fall größer.

Auch wenn es der Öffentlichkeit gut verborgen blieb: Werner Faymann war und ist sehr fleißig. Er nützte die vergangenen Wochen und Monate effizient, um das zu tun, was er am besten kann: die eigene Macht sichern. Diskret wurden die Beziehungen mit der ersten Reihe in der Gewerkschaft, vor allem aber mit den Chefs der großen Bezirke jenseits von Donau und Gürtel gepflegt, die dem teuren Experiment Rot-Grün Michael Häupls schon immer skeptisch gegenüberstanden. Faymann ließ ausrichten: Er verstehe die Sorgen. Und die Angst vor Heinz-Christian Strache.

Kein anderer Politiker hat derart viele Niederlagen, interne Aufstände und öffentliche Spekulationen über seinen Abgang überlebt wie Werner Faymann. Er ist der Wiener Teflon-Kanzler. Nun steht seine Partei, die Wiener SPÖ, vor einer Niederlage. Egal, wie die Gemeinderatswahl ausgeht, die Partei wird allen Umfragen und Trends zufolge auf einen historischen Tiefstand fallen. Die Strategie, mittels Kommunikation eines Kopf-an-Kopf-Rennens mit der FPÖ Wähler zu gewinnen, denen es in erster Linie, oder besser: nur darum geht, Heinz-Christian Strache auf Platz eins zu verhindern, könnte aufgehen. Dann würde möglicherweise die schizophrene Situation eintreten, dass die Wiener SPÖ-Funktionäre ein dickes Minus am Sonntagabend feiern. Das kennt man von der ÖVP.

Sollte das nicht passieren und die FPÖ die Sensation schaffen, wird in der SPÖ kein Stein auf dem anderen bleiben. Fällt der Herzog, fällt der Mantel. Fällt Michael Häupl, fällt Werner Faymann. Innerhalb weniger Wochen, ja Tage, könnte eine Dynamik einsetzen, die ein zum Abschied entschlossener Bürgermeister doch stärker lenken könnte als der Kanzler, heißt es in der Partei. Trotz aller machtpolitischen Netze, die Faymann spinnt.

Sollte das alles nicht passieren, will Faymann trotz massiver Verluste in Oberösterreich und Wien weiterregieren, als wäre nichts passiert. Als Losung soll ab Montag ausgegeben werden: Populisten gewinnen aufgrund von Finanzkrisen und Flüchtlingsstrom logischerweise dazu. Werner Faymann habe sich im Gegensatz zu vielen seiner Amtskollegen im Sattel gehalten, allein das sei ein Erfolg. Und vor allem: Es wäre geradezu fahrlässig, inmitten der großen Flüchtlingskrise den erfahrenen Regierungschef auszutauschen, der in bestem Einvernehmen mit der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, stehe. So weit die letzte und wie immer hübsch konstruierte SPÖ-Verteidigungslinie, die ab Montag in kleineren Printformaten Wiens zu lesen sein wird.

Dennoch wissen viele in der Partei, dass ein solcher Wechsel an der Spitze machbar wäre und mit ÖBB-Chef Christian Kern ein Kandidat bereits gefunden und rasch startklar wäre. Der soll sich aber mittlerweile nicht mehr ganz sicher sein, ob ein solcher Wechsel überhaupt erstrebenswert und die SPÖ- und Regierungsführung noch machbar sei. Aber im Zweifelsfall zweifelt Kern zum Glück nicht zu sehr an sich.

Geht die Faymann-Strategie der Neigungsgruppe „Wagenburg Kanzleramt“ bei einem Platz eins für die Wiener SPÖ hingegen auf, wird es schon durch die Neuaufstellung der Wiener Stadtregierung eine Regierungsumbildung im SPÖ-Team geben. Alois Stöger könnte, wie berichtet, die wenig dankbare Aufgabe zukommen, die Reste der oberösterreichischen SPÖ zu führen. Sonja Wehsely wird immer wieder als Ministerkandidatin genannt. Ihr Mann, Klubchef Andreas Schieder, für die Nachfolge von Renate Brauner oder Michael Häupl. Das soll die Medien eine Zeit lang beschäftigen, bevor wieder der Alltagstrott in die Bundesregierung einkehrt. Oder besser: der Alltagsstillstand.

Denn auch wenn personell fast alles beim Alten bliebe, werden die Verluste, selbst wenn sie am Sonntagabend von SPÖ- und ÖVP-Sprechern trotzig zu halben Wahlerfolge relativiert werden, zu noch mehr Ängstlichkeit und Blockade führen. Nachdem Reinhold Mitterlehner und Faymann in ihren eigenen Bundesländern verloren haben werden, sind sie noch stärker in Geiselhaft der eigenen Klientel. Faymann würde ab sofort jeden Schritt mit der Gewerkschaft noch genauer abstimmen, Mitterlehner den zornigen Wirtschaftsbund noch mehr fürchten und gegenüber Bauern und Beamten zögerlich sein. Reformen bleiben ein Fremdwort.

Die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen geht gegen null, zu groß ist die Angst vor einem Kanzler Heinz-Christian Strache. Sie bleibt das beherrschende Thema. So oder so.

Weitere Infos:www.diepresse.com/wien-wahl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Strache, Vassilkaou und Häupl (v.l.n.r.) bei der TV-Konfrontation der Spitzenkandidaten am Montag
Wien-Wahl

Mögliche Koalitionen nach der Wien-Wahl: Wer kann mit wem?

Egal, wie die Wahl am Sonntag ausgeht, der Sieger wird einen Koalitionspartner brauchen. Für die FPÖ gibt es derzeit kein Beziehungsangebot, die SPÖ hat dagegen freie Partnerwahl.
Leitartikel

Regierung oder Lebensgefühl: Was Wien am Sonntag wählt

Zu viel Drama: Eine Kommunalwahl ist kein „Herr der Ringe“-Film. Trotzdem geht es am Sonntag nicht nur um den Wiener Bürgermeister.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.