Flüchtlinge: Österreich prüft Transitzonen

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Deutschland will über Asylverfahren an der Grenze entscheiden. Auch Österreich überlegt die Einführung, selbst wenn die Ausgangslage nicht vergleichbar sei.

Wien/Berlin. In Deutschland wird seit Wochen über Transitzonen diskutiert. Eingerichtet an den Grenzen und ähnlich den Transitzonen an Flughäfen soll dort in Schnellverfahren unter anderem überprüft werden, ob Asylwerber aus Kriegsgebieten oder sicheren Drittstaaten wie dem Kosovo kommen, ob sie gefälschte Papiere mit sich tragen und ob sie überhaupt Aussicht auf ein Verfahren haben. Der Antrag soll innerhalb von 48 Stunden geprüft werden; bei einem negativen Asylbescheid droht eine schnelle Abschiebung. Österreich zieht mit diesem Konzept nun nach. „Der deutsche Entwurf wird bei uns gerade von Experten geprüft. Auch auf seine Praxistauglichkeit für Österreich“, sagt ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur „Presse“. Eine Einführung sei aber noch offen, zumal Deutschland und Österreich andere Rahmenbedingungen hätten.

So sei die Zahl der Menschen, die aus sicher geltenden Drittstaaten kommend in Österreich um Asyl ansuchen, sehr gering. „Wir haben jetzt schon Zehn-Tage-Schnellverfahren für diese Gruppe“, so der Sprecher. Die Antragszahlen seien deswegen im Vergleich zum Jahresanfang drastisch zurückgegangen. Im Vergleich: Im Jänner 2015 suchten noch 1065 Menschen aus dem Kosovo um Asyl an, im August waren es 31. In Deutschland hingegen seien es deutlich mehr – was freilich nicht nur daran liegt, dass diese Menschen nicht nach Österreich kommen. Nur werden Asylwerber, die nach Deutschland wollen, derzeit in Österreich (bis auf wenige Ausnahmen) nicht registriert.

Einigung in der nächsten Woche

Eine Tatsache, die die bayerische Wirtschaftsministerin, Ilse Aigner (CSU), scharf kritisierte. Für den Bruch der Dublin-Verordnung und des Schengen-Abkommens – die eine Registrierung verlangen –, gebe es „keinerlei Rechtfertigung“. Sie forderte am Dienstag die Regierung in Wien auf, das Weiterleiten von Flüchtlingen nach Deutschland einzustellen. Bayern ist auch die treibende Kraft hinter den Transitzonen.

Ein automatisches Nachziehen Österreichs, sollten die deutschen Transitzonen kommen, schließt man im Innenministerium aus. Denn ein Rückstau von Asylwerbern in Österreich würde sich erst bilden, wenn die Deutschen niemanden mehr in ihr Land ließen. Zwar liege der Regierung ein Papier vor, die Diskussion in Deutschland lasse aber viel Raum für Spekulation. Entscheidend dürfte ohnehin eine andere Frage sein: Was passiert mit den Menschen, die von Deutschland abgelehnt werden? Werden sie direkt von Deutschland in ihre Herkunftsländer zurückgebracht, wird Österreich wenig davon betroffen sein. Sollen sie nach Österreich zurückgeschickt werden, muss sich die Regierung etwas überlegen.

Noch besteht in Deutschland keine Einigung, wie die Transitzone konkret umgesetzt werden kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel leitete jüngst ein Treffen mit den Innenministern der Länder, das jedoch ergebnislos verlief. Die Minister haben bei der Gelegenheit erneut bekräftigt, dass die Aufnahmekapazitäten erreicht seien, Merkel selbst könne der Transitzonen-Idee auch etwas abgewinnen, heißt es in der Union. Daher hofft Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) auf eine Einigung bis nächste Woche.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière bereits ausarbeiten lassen. Nur: Der Koalitionspartner SPD lehnt Transitzonen kategorisch ab. Sowohl Fraktionschef Thomas Oppermann als auch Justizminister Heiko Maas sprechen von Haftanstalten und Haftzonen für Flüchtlinge. Aus Brüssel hingegen wird die Idee einer Transitzone nicht abgewiegelt, rechtlich explizit untersagt ist sie nicht. Grundsätzlich sei eine Transitzone an den Außengrenzen der Union sowie an Flughäfen sinnvoll, aber die innereuropäische Einführung könne eine lediglich zeitlich befristete Ausnahmeregelung sein, so ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag.

AUF EINEN BLICK

Transitzonen. Auch wenn noch keine konkreten Entwürfe vorliegen: In Transitzonen an den Landesgrenzen könnte innerhalb von 48 Stunden entschieden werden, ob die Betroffenen überhaupt Aussicht auf Asyl haben. Der EU-Kommission zufolge wären solche Zonen nur kurzfristig hilfreich. Die Union in Deutschland will eine Transitzone, Österreich prüft die Möglichkeit ebenfalls.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2015)

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