Budgetrede: Der zweite Teil der Steuerreform

Die Regierung war geschlossen zur Budgetrede angetreten (Bundeskanzler Werner Faymann fehlte krankheitsbedingt). [
Die Regierung war geschlossen zur Budgetrede angetreten (Bundeskanzler Werner Faymann fehlte krankheitsbedingt). [(c) Bloomberg (Akos Stiller)
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Im März ist die Wirtschaft bei der Steuerreform noch leer ausgegangen. Ab 2017 soll sie eine Senkung der Lohnnebenkosten um 1,3 Milliarden Euro bekommen, kündigte Finanzminister Schelling an.

Wien. Der Ärger war vielen Wirtschaftsvertretern am 13. März ins Gesicht geschrieben. An diesem Tag präsentierte die Regierung die Details der Steuerreform. Doch während die Arbeitnehmervertreter über eine Milliardenentlastung für ihre Klientel jubeln konnten, brachte die Reform für Unternehmer vor allem Unbill in Form der Registrierkassenpflicht oder höherer Mehrwertsteuer. Und all das just unter einem Finanzminister, der dem Wirtschaftsbund entstammt.

Ebendieser Finanzminister Hans Jörg Schelling hielt gestern, Mittwoch, seine erste Budgetrede im Parlament. Und neben den aktuellen Budgetzahlen und Kritik an der Reformunwilligkeit heimischer Interessenvertretungen (siehe Seiten 2 und 3) gab Schelling dabei auch den bislang nur versprochenen zweiten Teil der Steuerreform bekannt. So sollen die Lohnnebenkosten ab dem Jahr 2017 um in Summe 1,3 Milliarden Euro gesenkt werden. Dies entspricht knapp vier Prozent des gesamten Aufkommens an Lohnnebenkosten in Höhe von rund 33,5 Milliarden Euro, die von den Arbeitgebern pro Jahr zusätzlich zu den Bruttolöhnen gezahlt werden (siehe Grafik).

Schrittweise Anhebung geplant

Wie diese Senkung im Detail erfolgen soll, will man im Finanzministerium auf Anfrage der „Presse“ noch nicht genau sagen. Klar sei nur, dass die Senkung schrittweise kommen werde und erst im Jahr 2019 oder 2020 die vollen 1,3 Milliarden erreicht sein werden. Derzeit würden gerade mehrere Konzepte ausgearbeitet, im kommenden Jahr will man mit dem Koalitionspartner dann in Verhandlungen treten. Ein Rundruf bei heimischen Ökonomen und Interessenvertretern zeigt aber relativ gut, wohin die Reise gehen wird.

So legte sich Georg Kapsch, der Präsident der Industriellenvereinigung, bereits Anfang der Woche eindeutig fest. Er forderte eine Absenkung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) um einen Prozentpunkt. Eine Forderung, die auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im September äußerte. Das brächte eine Milliarde Euro und sei für den Fonds finanzierbar, da er Überschüsse erziele und die Schulden aus der Vergangenheit bald abbezahlt habe. Eine Forderung, die von der Wirtschaftskammer mitgetragen wird. „Wir stimmen uns in solchen Fragen mit der Industrie immer gut ab“, heißt es.

Bei den heimischen Ökonomen kommt diese Forderung gut an. „Die Senkung der Lohnnebenkosten ist auf jeden Fall eine gute Idee“, sagt Simon Loretz vom IHS. Dass der Flaf davon betroffen sein werde, sei plausibel. Ähnlich sieht das Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin beim Wifo. „Man muss sich auch grundsätzlich die Frage stellen, warum manche Bereiche durch Lohnnebenkosten finanziert werden. So ist die Familienförderung eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Eine Senkung um einen Prozentpunkt sei dabei aber nur ein „Mosaiksteinchen“. Man sollte überlegen, den Flaf-Beitrag komplett zu streichen und die Familien über Steuern zu finanzieren. Dies sei aufgrund des Volumens der Beiträge von zuletzt 5,3 Milliarden Euro derzeit zwar schwer vorstellbar. Für die Volkswirtschaft würde eine Finanzierung über Ausgabensenkungen sowie Umwelt- und vermögensbezogene Steuern jedoch mehr Sinn ergeben, so Schratzenstaller.

Und auch bei Werner Muhm, dem Direktor der Arbeiterkammer Wien und wirtschaftpolitischen Berater von Kanzler Werner Faymann, fällt eine Senkung beim Flaf auf fruchtbaren Boden. Er sieht nicht nur die Familienförderung, sondern auch Wohnbauförderung und Kommunalsteuer als international nicht übliche Belastung der Arbeitskosten. Eine Senkung der Lohnnebenkosten sei dort durchaus denkbar – aber nur als Schlusspunkt eines größeren Pakets.

Gegenforderungen der Arbeitnehmer

So fordert Muhm im Gegenzug Investitionsanreize für den Wohnbau, eine Beschleunigung beim Ausbau der Energienetze, Maßnahmen gegen Preissteigerungen im Lebensmittelhandel und bei Mieten sowie einen Stopp bei öffentlichen Gebühren. Erst wenn diese Punkte erfüllt seien, könne man über die Senkung der Lohnnebenkosten reden.

Im Finanzministerium heißt es dazu: „Die Senkung der Lohnnebenkosten ist kein Geschenk an die Wirtschaft, sondern schafft Arbeitsplätze. Das sollte ein Anliegen der gesamten Regierung sein.“ Wirtschaftsvertreter sollten sich also nicht zu früh freuen. Die Verhandlungen dürften nicht einfach werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2015)

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