Entspannung in Traiskirchen – aber jetzt fehlen Notquartiere

Omar, a 27-year-old cook originally from Deraa, walks past the asylum processing centre in Traiskirchen
Omar, a 27-year-old cook originally from Deraa, walks past the asylum processing centre in Traiskirchen(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Im Erstaufnahmezentrum sind erstmals keine Menschen in Zelten untergebracht, statt 4000 sind jetzt nur noch rund 1800 Flüchtlinge im Lager. Auch Kinderbetreuung gibt es mittlerweile wieder. Dafür staut es sich jetzt in den Notquartieren.

Traiskirchen. Die Kinder lachen und quietschen. Mit Spielzeugen in der Hand laufen sie im Kindergarten herum. Ein kleiner Bub beißt in seinen Marillenkuchen. Eine ganz normale Situation, wären die Kinder nicht an jenem Ort, der monatelang für Schlagzeilen gesorgt hat: Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen ist so etwas wie Normalität eingekehrt.

Mit Freitag, verkündete ein Innenministeriumssprecher, sei kein einziger Bewohner dauerhaft mehr in Zelten untergebracht. Der Belegstand liegt aktuell bei rund 1800 Personen. Wobei mehr als zwei Drittel unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind. Der Rest sind Familien, auch mit Kindern. Zum Vergleich: Im Sommer waren hier teilweise über 4000 Menschen untergebracht. Dabei hätten es nie mehr als 1840 sein dürfen.

Auf das junge Publikum wurde am Freitag nun auch reagiert. Erstmals seit der Überbelegung gibt es einen Kindergarten und ein Mutter-Kind-Treff. „Es gefällt mir hier sehr gut“, sagt eine Mutter auch gleich. Auch Unterricht gibt es für Schulpflichtige.

Doch die fröhlichen Bilder dürfen nicht täuschen. Auch wenn in Traiskirchen wieder der Alltag eingekehrt ist, funktioniert das Asylwerbersystem noch immer nicht. Während drinnen die Kinder spielen, steht draußen eine Familie (ohne kleine Kinder) aus Syrien im Regen und weiß nicht, wohin sie sich wenden soll. Sie hatte eben ihr Erstgespräch in Traiskirchen, wurde aber nicht aufgenommen, weil es dort keinen Platz für sie gibt. Sie muss nun selbst schauen, wo sie bleibt. Auch zwei junge Afghanen warten vor dem Eingangstor auf ein Erstgespräch. Beide hätten die Nacht draußen verbracht, wäre nicht spätabends ein Helfer gekommen und hätte sie ins nahe Pfarrheim geleitet.

Aufnahmestopp gilt

Denn der Aufnahmestopp in Traiskirchen gilt noch immer. Zwar gibt es jetzt keine Menschen mehr, die im Freien schlafen müssen, „gleichzeitig geht das aber zulasten von Obdachlosigkeit abseits des Lagers“, sagt Klaus Schwertner von der Caritas Wien. Täglich werden Menschen vor dem Eingang abgewiesen. Manche sprechen von 50, Erstaufnahmezentrumsleiter Franz Schabhüttl von acht bis neun.

Als unmittelbare Maßnahme hat nun Flüchtlingskoordinator Christian Konrad einen Wiener-Linien-Bus bereitgestellt, der etwas abseits vom Haupteingang die Menschen in Notquartiere vermitteln soll. Doch der Bus ist, als „Die Presse“ hinschaut, geschlossen, keine Informationsperson zu sehen. Auch beim Eingang hat man von dem Bus noch nie gehört. „Er ist erst heute in Betrieb gegangen und wird nur geöffnet, wenn Bedarf besteht“, so ein Innenministeriumssprecher.

Ohnehin ist die Unterbringung in Notquartieren auf Dauer keine Lösung. Denn sie nehmen den durchreisenden Menschen den Platz weg. 3700 Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl angesucht haben, sind in Notquartieren untergebracht, sagte Gerry Foitik vom Roten Kreuz am Mittwoch zur „Presse“. Sie sollten eigentlich in die Obhut des Bundes und, wenn sie zum Verfahren zugelassen sind, einen Platz in den Ländern bekommen.

Auch der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker über scharfe Kritik am Aufnahmestopp. Er zeigt empört, dass das Innenministerium die Situation in Traiskirchen am Weg zur Normalität sieht: "Es wird höchste Zeit, dass das Innenministerium von seiner Scholle der Selbstzufriedenheit herunter kommt." Er fordert den Bund auf, sein "Durchgriffsrecht" zur Schaffung zusätzlicher Quartiere zu nutzen: "Selbstverständlich muss das Durchgriffsrecht, das mit großer Verfassungsmehrheit beschlossen wurde, zum Tragen kommen." Denn "im Augenblick übernehmen wir die Aufgaben des Bundes".

Zeitgleich sagt ein Sprecher des Innenministeriums, dass 3000 bereits zum Verfahren zugelassene Asylwerber im Bund betreut werden und auf einen Platz in der Grundversorgung in den Ländern warten. Das System staut sich also wieder zurück. Nur ist dieses Mal nicht Traiskirchen, sondern die Notunterkünfte des Landes sind betroffen. Sie sind nicht für Daueraufenthalte gedacht, schon gar nicht bei tiefen Temperaturen. Zudem sind sie einmal mehr, einmal weniger ausgelastet. Foitik sprach am Mittwoch davon, dass es schwieriger werde, die Menschen in Notquartieren unterzubringen. Mit dem kalten Wetter werden einige Notunterkünfte (etwa das Linzer Postverteilerzentrum) geschlossen.

Die Angst der Gemeinden

„Es ist eine Herausforderung für alle Beteiligten“, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Die Länder seien nach wie vor angehalten, Quartiere zu schaffen. Mit dem Durchgriffsrecht des Bundes sollen 15 neue Quartiere entstehen, auch würden sich Gemeinden (wohl aus Angst, dass sie eines vorgesetzt bekommen) vermehrt melden.

Bis dahin wird versucht, Stück für Stück Verbesserungen einzuführen. Die Caritas darf nun drei Tage in der Woche ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen und direkt Spenden austeilen. Diese können in die Spendensammelstelle in der Semperithalle in Traiskirchen (Wienerdorfer Straße 20–25, Halle M35/3) gebracht werden. Sie sind notwendig. Viele der vor allem jungen Männer laufen in Flipflops herum. Als die Caritas das Spendenlager aufsperrt, ist die Warteschlange lang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

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