Länderverzicht auf Gerichtsmitsprache

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Länderkammer überrascht mit einem Gesetzesvorstoß, der die Macht der Länder im Justizwesen einschränken würde. Umgekehrt büßt der Bund Kompetenzen ein.

Wien/Linz. Und sie bewegt sich doch – die politische Welt zwischen Bund und Bundesländern. Wenn nichts mehr dazwischenkommt, wird das Mitspracherecht der Landeshauptleute in Justizfragen künftig wegfallen. Damit wäre unter anderem auch die Vetomöglichkeit gegen die Zusammenlegung von Gerichtssprengeln in den Ländern Geschichte.

Das Bemerkenswerte daran: Der gesetzliche Anstoß dazu kommt von der Länderkammer selbst. Denn im Bundesrat wird heute, Donnerstag, über Antrag von ÖVP und SPÖ ein entsprechender Antrag für eine Verfassungsänderung beschlossen. Der Haken dabei: Alle Hürden sind damit nicht genommen. Denn die Gesetzesinitiative wandert dann erst zur Beschlussfassung in den Nationalrat und muss danach, was allerdings eher Formsache wäre, mittels erneuten Beschlusses vom Bundesrat abgesegnet werden.

Minister Brandstetter erfreut

Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte am Mittwoch am Rande des Ministerrats auf Anfrage der „Presse“ naturgemäß nichts gegen dieses Vorhaben einzuwenden. Er wäre vielmehr erfreut. Schließlich würde die Neuregelung dem Justizminister künftig ersparen, etwa offiziell den Sanktus eines Landeschefs bei Gerichtszusammenlegungen einzuholen.

Der rot-schwarze Gesetzesantrag in der Länderkammer wird möglich, weil der Bund im Gegenzug ebenfalls Mitspracherechte gegenüber den Ländern abgibt. Der Bund verzichtet auf die Möglichkeit der Mitsprache des Ministerrats, wenn die Geschäftsordnung eines Landesrates geändert wird, wie es derzeit in Oberösterreich der Fall ist. Wien soll davon übrigens ausgenommen bleiben.

In den vergangenen Jahren hat die Mitsprachemöglichkeit des betroffenen Landes der Bundesregierung und dem jeweiligen Justizminister bei der Zusammenlegung von Gerichten das politische Leben schwer gemacht. Die Liste für die Schließung von Gerichten stand jeweils erst nach längeren Verhandlungen mit den betroffenen Landeshauptleuten fest. Im Regelfall mussten Minister und Bund bei Änderungen der Gerichtssprengel und Gerichtsschließungen und -zusammenlegungen Abstriche machen.

Justiz senkt Gerichtsgebühren

Das Justizministerium wiederum senkt nun einige Gerichtsgebühren. Konkret soll das Einlegen von Rechtsmitteln in Unterhalts-, Exekutions- oder Insolvenzverfahren günstiger werden. Auch die Kosten für Firmenbuchabfragen werden niedriger. Die entsprechende Gerichtsgebührennovelle wurde am Mittwoch in Begutachtung geschickt. In Unterhalts- und Pflegschaftssachen ist eine „streitwertunabhängige Fixgebühr“ für Verfahren in zweiter und dritter Instanz geplant. Ein Rekurs gegen eine Unterhaltsentscheidung werde damit nie mehr als 27,40 Euro kosten. Für Minderjährige wird er weiterhin völlig gratis sein. Ebenfalls zu einem Fixtarif werden laut der Novelle bei bestimmten Insolvenzsachen die Verfahren in zweiter und dritter Instanz vergebührt (maximal 846 Euro). Bei Exekutionsverfahren wird statt des gesamten Anspruchs, der durchgesetzt werden soll, das meist niedrigere Rechtsmittelinteresse verwendet. Hintergrund der Neuregelung ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Vorjahr.

Firmenbuchabfragen werden gemäß einer EU-Richtlinie billiger. Die Suche im Firmenbuch nach Firmen, Veränderungen oder Urkunden wird beispielsweise kostenfrei. Gebietskörperschaften können künftig jegliche Firmenbuchabfrage gratis durchführen.

Auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheint die Möglichkeit, dass im Firmenbuch sogenannte diakritische Zeichen ermöglicht werden. Dabei handelt es sich um Striche oder Zeichen (Häkchen, Kreise etc.) an bzw. über Buchstaben – etwa ein Háček in slawischen Sprachen oder das „A mit Ringerl“ im Skandinavischen. Dass diese im Firmenbuch verwendet werden dürfen, sei ein „deutlicher Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Volksgruppen in Österreich“, heißt es im Justizministerium. Wer seinen Firmenbucheintrag nachträglich mit einem Háček versehen will, muss dafür übrigens keine Gebühr zahlen. Die Begutachtung läuft bis 11. November. (ett/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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