Finanzlücke: Familienfonds wird zum Selbstbedienungsladen

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BUNDESL�NDERTOUR DER REGIERUNG ´ERFOLGREICH.�STERREICH.´: BESUCH EINES KINDERGARTEN IN WIENER NEUDORF: KARMASIN(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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„Entlastung auf Kosten der Kinder“: Koalitionszugeständnis bei Lohnnebenkosten vergrößert die Schulden im Sieben-Milliarden-Topf. Beitragssenkung für Wirtschaft durchkreuzt den Fondssanierungsplan bis 2020.

Wien. Mit dem Zugriff auf die Mittel des Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) setzt die rot-schwarze Regierung eine schon früher angewandte Methode ein. Damit SPÖ und ÖVP ihr beim Arbeitsmarktgipfel am vergangenen Freitag gegebenes Versprechen einer schrittweisen Senkung der Lohnnebenkosten einhalten und die Wirtschaft beruhigen können, wird der Familienfonds angezapft. Die Dienstgeberbeiträge zum Fonds werden in Etappen gesenkt. Der Preis dafür: Die Schulden des Fonds, die heuer immer noch bei rund 2,6 Milliarden Euro liegen werden, schnellen bis 2018 deutlich nach oben. Die bis 2020 angepeilte Entschuldung wird damit unterlaufen.

Der Vorteil für die Koalition: Sie bedient sich des mit fast sieben Milliarden Euro dotierten Fonds, aus dem hauptsächlich Familienleistungen bezahlt werden, zur Finanzierung ihrer Zusagen, ohne auf das Budget zugreifen zu müssen und dort das Defizit zu erhöhen. Die Familienorganisationen laufen jetzt allerdings Sturm, dass der Fonds, der seit 2010 den Schuldenberg Jahr für Jahr mühsam von ursprünglich 3,7 Milliarden Euro auf heuer 2,6 Milliarden Euro reduziert hat, herangezogen wird. Die Entlastung der Wirtschaft erfolge damit „auf Kosten der Kinder“, betonen Familienvertreter einhellig.

Der Hintergrund: Unter Familienministerin Sophie Karmasin ist es zwar nun zu einer Erhöhung der Familienbeihilfen gekommen. Die lang geforderte jährliche Anhebung der Beihilfen wurde aber auch mit Hinweis auf die Lücke im Familienfonds stets abgelehnt.

Kosten von 920 Millionen Euro

Die Auszahlungen der Familienbeihilfen machen mit rund 3,13 Milliarden Euro (Abrechnung der Zahlen für 2014) den größten Brocken aus dem Sieben-Milliarden-Topf aus. Die zweithöchsten Ausgaben betreffen das Kindergeld mit knapp 1,12 Mrd. Euro im Vorjahr. Weitere große Ausgabenposten gelten unter anderem für Schülerfreifahrten, (Gratis-)Schulbücher, Wochengeldteilersatz, Unterhaltsvorschüsse sowie Pensionsbeiträge für Kindererziehungszeiten.

Noch 2,6 Milliarden Schulden

Die von der Regierung versprochene Reduktion der Lohnnebenkosten sieht eine stufenweise Senkung der Dienstgeberbeiträge für den Flaf vor. In Summe wird die Entlastung ab 2018 von der Regierung mit bis zu 920 Millionen Euro beziffert. Das bedeutet umgekehrt, dass die Finanzlücke wegen fehlender Einnahmen damit um diesen hohen Betrag wieder größer wird. SPÖ und ÖVP argumentieren, dass der Familienfonds inzwischen jährlich einen Überschuss verzeichnet. Für heuer wird ein Plus von 332 Millionen Euro erwartet, 2016 dann ein Überschuss gemäß Vorschau von 417 Millionen Euro.

Allerdings kämpft der Familienfonds noch immer mit einem 2,6-Milliarden-Loch. Der bisherige Sanierungsplan sah vor, dass der Schuldenberg bis 2019 auf zwölf Millionen Euro reduziert und 2020 endgültig abgetragen wird. Das ist jetzt Makulatur mit einem zusätzlichen Fehlbetrag von 920 Millionen Euro im Jahr.

In der Vergangenheit wurde schon zu ähnlichen Aktionen gegriffen, indem auf Sozialtöpfe und -einnahmen zurückgegriffen wurde. Das diente dazu, einen Teil der Budgetsanierung oder eine Querfinanzierung im Krankenkassensystem umzusetzen. Dies betraf etwa die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, einst allerdings auch die Arbeitslosenversicherung.

AUF EINEN BLICK

Familienlastenausgleichsfonds. Aus dem Fonds (kurz Flaf) werden Familienleistungen von insgesamt fast sieben Milliarden Euro bezahlt. Den größten Ausgabenposten machen die Familienbeihilfen mit 3,13 Milliarden (im Jahr 2014) aus, weitere rund 1,1 Milliarden werden als Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt, 425 Millionen Euro für Schülerfreifahrt und Schulbücher. Die Dienstgeber zahlen Flaf-Beiträge in Höhe von 4,5 Prozent des Bruttolohns.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2015)

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