Flüchtlinge: Koalition auf der Suche nach einer gemeinsamen Linie

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Am Mittwoch will die Regierung ein Konzept präsentieren. Finanzminister Schelling hofft auf Berücksichtigung der Flüchtlingskosten auf EU-Ebene.

Wien/Brüssel. Das Thema Flüchtlinge sorgt weiter für Sticheleien innerhalb der Koalition. Das zeigte sich nach der Sitzung der ÖVP-Bundesparteileitung, die sich hauptsächlich mit diesem Thema befasste. Auch wenn ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner darauf drängte, dass die Regierung in der Flüchtlingsfrage an einem Strang ziehen sollte, vergaß er nach der Sitzung nicht auf Attacken in Richtung SPÖ. Der Vizekanzler warf dem Koalitionspartner vor, mit der öffentlichen Bekanntgabe diverser Pläne zum Grenzmanagement Profilierungsversuche gestartet zu haben.

Gemeint war damit offensichtlich Verteidigungsminister Gerald Klug: Dieser hatte am Donnerstag Alternativen zu dem von der Innenministerin geplanten Grenzzaun vorgeschlagen. Zur Rolle seiner Partei meinte Mitterlehner dagegen: „Wir haben uns an diesem Chaos nicht beteiligt.“ Nunmehr soll jedenfalls alles besser werden. Vermutlich schon Dienstagabend werden sich die Koalitionsparteien zusammensetzen, um eine gemeinsame Linie abzustimmen. Am Mittwoch soll ein gemeinsames Konzept zu einem besseren Grenzmanagement präsentiert werden. Dass das nicht schneller geht, begründete Mitterlehner mit einem Auslandsaufenthalt des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler.

Die Grenzen besser schützen

Als Grundkonzept gab der Vizekanzler aus, dass die Grenzen besser geschützt und die Flüchtlingsströme entzerrt werden müssten. Dies gelte es einerseits auf europäischer Ebene zu bewältigen, andererseits müsse auch national dafür gesorgt werden, dass das Grenzmanagement besser werde. Dabei gehe es nicht um eine Abschottung, wie sie Ungarns Premier, Victor Orbán, betreibe, sondern darum, Kontrollmöglichkeiten an den Grenzen zu schaffen.

Von Bedeutung ist für Mitterlehner eine bessere Steuerung der Ströme mit Slowenien und Deutschland. Für den Fall, dass Deutschland seine Grenze ganz schließe, wonach es derzeit nicht aussehe, müsse Österreich aber Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen etablieren.

Wie ihr Konzept aussieht, verriet Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Rande der Bundesparteileitung nicht: „Ich kann schweigen“, betonte die Ressortchefin. Sie erklärte, dass sie ihre Pläne zuerst mit der SPÖ verhandeln wolle.

200 Millionen Euro Mehrkosten

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist zuversichtlich, dass die Kosten der Flüchtlingskrise von der EU bei der Defizitberechnung berücksichtigt werden. Die EU-Kommission werde dazu nächste Woche einen Vorschlag machen, sagte Schelling am Montag vor Beratungen der Eurogruppe in Brüssel. Er sei im Gespräch mit den Kommissaren und „zuversichtlich, dass wir einen Lösung finden“.

„Österreich hat natürlich so wie Deutschland und Schweden ein Riesenproblem mit den Kosten der Flüchtlinge“, sagte Schelling. Er habe als erster Finanzminister von Anfang an die EU-Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass die Flüchtlingskosten aus dem strukturellen Defizit herauszurechnen seien. In Hinblick auf das EU-Budget müssten sich alle EU-Staaten an den Kosten beteiligen, insbesondere beim Außengrenzschutz und den Hotspots zur Flüchtlingsregistrierung, sagte Schelling. Es sei noch genau zu definieren, was herausgerechnet werde. „Jetzt geht man nur von den Mehrkosten aus.“

Österreich habe ein Spezialproblem dadurch, dass man für 2014 und 2015 ein gemeinsames Budget erstellt habe. Er werde heuer auch für 2015 einen Nachtragshaushalt einbringen müssen, weil 2014 die Kosten für die Flüchtlingskrise nicht vorhersehbar gewesen seien. Dies werde ebenfalls der EU-Kommission mitgeteilt.

Für 2015 erwartet Schelling Mehrkosten in der Größenordnung von „etwas über 200 Millionen“ Euro. Für 2016 seien zusätzliche Mittel für Arbeitsmarkt, Integration und Grundversorgung im Umfang von etwa 350 Millionen Euro eingestellt, plus eine Reserve für die Bundesländer. (APA/red.)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)

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