Nach dem Burgenland bestimmen SPÖ und FPÖ gemeinsam in Österreichs drittgrößter Stadt, auch ohne formell in einer Koalition "aneinandergekettet" zu sein, die Politik.
Linz. Der Hinweis war dem wiedergewählten Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) wichtig. Die beiden Parteien hätten sich „nicht in einer Koalition aneinandergekettet“. Dennoch werden SPÖ und FPÖ mit dem am Dienstag gemeinsam in Linz vorgestellten rot-blauen Arbeitsübereinkommen zentrale Weichenstellungen in der Landeshauptstadt in der sechsjährigen Amtsperiode bis 2021 gemeinsam vornehmen. Das reicht von Sicherheit und mehr Polizei bis zur Wohnbaupolitik. Strittige Themen blieben jedoch ausgeklammert.
Während in Oberösterreich ÖVP und FPÖ bis 2021 eine Koalition geschlossen haben, die von den Parteien auch nur als „Arbeitsübereinkommen“ eingestuft wird, gibt es in Linz nun ein rot-blaues Arbeitsprogramm. Die SPÖ hatte bei der Gemeinderatswahl am 27. September starke Verluste hinnehmen müssen, die FPÖ ist zweitstärkste Kraft geworden.
Im Gemeinderat gibt es zwar ein freies Spiel der Kräfte aller Fraktionen, aber der rot-blaue Pakt gibt die Leitlinien bei vielen Schwerpunkten vor. Im Linzer Rathaus wurde der „Presse“ allerdings versichert, es werde auch Arbeitsübereinkommen der SPÖ mit der ÖVP und mit den Grünen, die ebenfalls in der Stadtregierung vertreten sind, geben. Diese Vereinbarungen seien sogar bereits „auf dem Weg zur Unterschrift“. Rot-Blau hat jedoch ein starkes Druckmittel in der Hand. Denn beide Parteien teilen sich in der neuen Stadtregierung, wie am vergangenen Samstag berichtet, das wichtige Finanzressort.
Nach der im Juni besiegelten rot-blauen Koalition im Burgenland, die SPÖ-intern für massive Turbulenzen gesorgt hat, arbeiten damit Rot und Blau in Österreichs drittgrößter Stadt eng zusammen. Mit 200.000 Einwohnern liegt Linz in der Bevölkerungszahl gar nicht so weit hinter dem Burgenland mit knapp 290.000 Einwohnern. Der Linzer Bürgermeister Luger hat sich nach der Entscheidung im Burgenland bereits gegen das strikte Nein der Bundes-SPÖ unter Bundeskanzler Werner Faymann zu einer Koalition mit der FPÖ gestellt und ein Ende des „Bannfluchs“ gegen die Freiheitlichen befürwortet. Mit besonderem Interesse war in Linz schon in der vergangenen Legislaturperiode die Zusammenarbeit von Lugers SPÖ mit der FPÖ bei der Magistratsreform registriert worden.
Was sieht nun das neunseitige Arbeitsübereinkommen von der SPÖ mit Stadtchef Luger und der FPÖ mit dem neuen Vizebürgermeister, Detlef Wimmer, vor? Bei den Finanzen wird trotz schwieriger Ausgangslage eine „nachhaltige Politik“, ein „strukturell ausgeglichener Haushalt“ angestrebt. Auffallend ist freilich, dass die Folgen des Finanzdebakels um das Swap-Zinswettgeschäft, aus dem Linz ein Schaden von mehr als 500 Millionen Euro droht, gar nicht erwähnt wird. Die Bawag als Prozessgegner solle zuerst erläutern, wie es zu dieser Schadensumme komme, hieß es dazu. Für die städtischen Betriebe ist eine Holding geplant.
Integration: Wels ist strenger
An einem Strang ziehen Rot und Blau bei mehr Personal für die Polizei. Das bestehende gesetzliche Bettelverbot „wird konsequent umgesetzt“, heißt es im Arbeitspakt. Bei Wohnen und Integration finden sich ein Bekenntnis zur „gemeinsamen Sprache Deutsch“ und die Ablehnung von Extremismus und Radikalismus. Anders als im nun FPÖ-dominierten Wels sind Sozialleistungen nicht ausdrücklich an Bedingungen für Zuwanderer wie längeren Wohnsitz geknüpft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)