Müssen sich Muslime immer wieder distanzieren? „Ja“

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Seit der jüngsten Anschlagserie kommt es zu vermehrten Anschuldigungen von Muslimen. Diese wehren sich nun.

Wien. Die Hashtags waren schnell wieder präsent. #NotInMyName und #MuslimsAreNotTerrorists, mit dem Schlagwort tun seit der Nacht auf Samstag Muslime in sozialen Netzwerken kund, dass sie sich mit Terroristen, die sich den Islam auf die Fahnen heften, nicht identifizieren. Denn auch in Österreich fürchten Muslime nun wieder, unter Generalverdacht zu geraten. „Gerade bei den Jungen ist große Sorge und Frustration da. Wörtlich heißt das dann, ,20 drehen durch und wir alle dürfen das ausbaden‘“, sagt Carla Amina Baghajati, die Mediensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

Während sich im Jänner, nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ und den koscheren Supermarkt auch schnell die direkte Konfrontation, die Unmutsäußerungen oder Beschimpfungen von Muslimen, besonders von Frauen mit Kopftüchern, gehäuft hätten, sei das bisher noch nicht zu beobachten. „Bisher haben wir keinerlei Meldungen von unguten Szenen, eher bemerke ich viel aufmunterndes Lächeln“, so Baghajati. Sie interpretiert das so, dass die „Gesellschaft immer besser“ mit solchen Ereignissen umgehe – also offenbar gelernt habe zu differenzieren.

Auch in der muslimischen Community ist der Umgang mit Ereignissen wie den jüngsten Anschlägen mittlerweile Standard: „Schockiert und entsetzt“ verurteilt die Islamische Glaubensgemeinschaft die Anschlagserie, hieß es da in einer prompt verfassten Aussendung (siehe auch oben stehendes Interview). Zwei Tage später geht es in einer weiteren um die Ursachenbekämpfung, um pluralistische Zivilgesellschaft, friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten.

„Hoffentlich kein Keil in Gesellschaft“

Müssen sich Muslime in Österreich immer wieder Mantra-artig von islamistischem Terror distanzieren? Ja, sagt Baghajati. Das würden die Muslime selbst so von ihren „offiziellen“ Vertretern fordern. „Zum Vergleich: Voriges Jahr hatten wir die Debatte noch: Müssen wir jedes einzelne Ereignis ausdrücklich verurteilen und betonen, dass wir Muslime eh die Braven sind? Heute ist es anders: Die Leute fordern in vielen E-Mails und Gesprächen, dass wir da schnell reagieren.“

Ein Ansatz, dem auch die Muslimische Jugend Österreichs (MJÖ) folgt: Sie schreibt in einer Stellungnahme zur Terrorserie von Entsetzen, Betroffenheit, Trauer, Mitgefühl und Solidarität.

Am Sonntagabend haben Mitglieder der MJÖ in einer spontanen Aktion Blumen und Kondolenzschreiben vor der französischen Botschaft abgelegt. „Wir hoffen, dass diese schreckliche Tat keinen Keil in unsere Gesellschaft treibt und die Menschen Europas nicht entzweit“, so Nermina Mumic, die Vorsitzende der MJÖ. (cim)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)

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