Mindestsicherung: ÖVP will "Kostenexplosion" verhindern

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka APA/ROBERT JAEGER
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Klubchef Lopatka fordert Verschärfungen wegen der Flüchtlingskrise, etwa eine Deckelung für Familien. Die SPÖ lehnt das strikt ab.

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka ortet aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise Handlungsbedarf bei der Mindestsicherung. Derzeit wird diese an Flüchtlinge ausbezahlt, sobald sie einen positiven Asylbescheid, aber noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können. Aus Erfahrung wissen man, dass nur zehn Prozent rasch eine Anstellung finden würden, so Lopatka am Freitag. „Wenn ich davon ausgehe, dass im nächsten Jahr rund 40.000 bei uns Asyl bekommen und wenn es davon 90 Prozent nicht schaffen, sofort in den Arbeitsmarkt aufgenommen zu werden – dann habe ich zusätzlich, über Nacht quasi, 30.000 in der Mindestsicherung“, rechnete er im Ö1-„Morgenjournal“ vor. „Es geht hier darum, eine Kostenexplosion zu verhindern.“

Generell steigt die Zahl der Bezieher der Mindestsicherung. Wie die „Presse“ berichtet hat, hat die Zahl der Personen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, einen neuen Rekordstand erreicht. Im Vorjahr waren es bundesweit mit 256.405 Beziehern um rund 18.000 mehr als 2013. Zum Vergleich: 2011, im ersten vollen Jahr nach der Einführung im September 2010, waren es 193.276 gewesen. Und: Gut die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher lebt in Wien.

Der ÖVP-Klub schließt sich aufgrund dieser Datenlage dem Arbeitnehmerbund an, der Verschärfungen einfordert. So könnte beispielsweise die Mindestsicherung für Familien gedeckelt werden. Lopatka: „Wir halten es für richtig, wenn man hier eine Deckelung von 1500 Euro einzieht.“ Das wäre genau jene Summe, die ein Paar mit zwei Kindern momentan ausbezahlt bekommt. Das Sozialministerium sieht den Vorstoß kritisch. Gegenüber dem ORF-Radio hieß es, man wolle hier Familien mit drei oder mehr Kindern „zusammenschneiden“. Lopatka ließ den Einwand nicht gelten: „Das sollte ja mit der Familienbeihilfe entsprechend mit abgegolten werden.“

Zur Hälfte eine Sachleistung?

Außerdem kann sich der ÖVP-Klubchef vorstellen, dass die Mindestsicherung nicht mehr nur als reine Geld-, sondern zur Hälfte als Sachleistung ausgegeben wird, etwa als Zuschuss für Schulsachen oder Nahrungsmittel. So sei gewährleistet, dass das Geld „zielsicher“ ankomme. Konkret: „Dass das Geld dann nicht, wenn es für die Kinder sein soll, vielleicht im Alkoholkonsum der Eltern landet.“ Dritte Idee wäre, dass die Mindestsicherung automatisch um ein Viertel gekürzt werden soll, wenn sie jemand länger als ein Jahr bezieht. Vierter Punkt könnte ein finanzieller Bonus für jene sein, die wieder in den Arbeitsprozess einsteigen.

Derartige Sanktionen sind schon jetzt möglich. So haben einige Bundesländer bereits eine Aufteilung zwischen Geld- und Sachleistungen vorgenommen. Nach Lopatkas Ansicht würden die Maßnahmen aber zu selten angewandt.

SPÖ gegen Deckelung, Grüne kritisieren "Attacke"

Die SPÖ ist gegen den Vorschlag der ÖVP, bei der Mindestsicherung einen Deckel von 1500 Euro für Familien einzuziehen. Dass man verstärkt auf Sachleistungen setzt, darüber könne man hingegen diskutieren, erklärte Klubchef Andreas Schieder am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal".  "Ich bin dagegen, dass man Leute, die länger in einem sozialen und Arbeitslosigkeitsproblem sind, dann zu Lumpenproletariat herunterkürzt", erklärte Schieder. Laut seinen Aussagen gehe es bei der Mindestsicherung nicht um große Budgetposten. Auch die Kürzungsvorschläge des ÖVP-Klubs wären ein "unbedeutender Betrag".

Diskussionsbereitschaft signalisiert der Klubobmann hingegen beim Thema Sachleistungen. In "manchen speziellen" Fällen könne es sinnvoll sein, Mietkosten oder Ausbildungskosten direkt zu finanzieren. Dies müsse man aber "behutsam" prüfen, so Schieder.

Die Grünen orten in einer Aussendung eine "ÖVP-Attacke" auf hilfsbedürftige Menschen. Die Partei agiere mit "absurden Zahlenspielen" und "verfassungswidrigen Vorschlägen", kritisierte Sozialsprecherin Judith Schwentner. Für die Neos geht der Vorschlag, die Mindestsicherung zu deckeln, am Thema vorbei. Der Leistungsanreiz entstehe nicht durch eine Deckelung, sondern wenn sich auch kleine Jobs auszahlen, forderte Sozialsprecher Gerald Loacker stärkere Anreize für eine Erwerbstätigkeit.

>>> Bericht im Ö1-„Morgenjournal“

>>> Schieder im Ö1-"Mittagsjournal"

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(Red./APA)

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