„Allein schafft Europa gar nichts“

Umweltminister Rupprechter und Industrie-Präsident Kapsch
Umweltminister Rupprechter und Industrie-Präsident Kapsch (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Umweltminister Rupprechter und Industrie-Präsident Kapsch streiten über den Klimaschutz. In einem Punkt sind sie einig: Eine CO2-Steuer muss her – nur heißen soll sie anders.

Die Presse: Ab Montag beraten die Staaten in Paris, wie sie das Weltklima retten könnten. Herr Minister Rupprechter, haben Sie Sorge, so knapp nach den Anschlägen nach Paris zu reisen?

Andrä Rupprechter: Nein. Es werden sicher die am besten geschützten Verhandlungen sein. Die Ereignisse in Paris kann man nur mit Nachdruck verurteilen. Das war nicht nur ein Angriff auf Paris, sondern auf Europa. Ein Angriff im Übrigen, der auch den Klimawandel als Hintergrund hat. In Syrien gab es drei Jahre Trockenheit, das hat viele Bauern aus dem Norden in die Städte getrieben und damit die Basis für Unruhen gelegt.


Nach den erfolglosen bisherigen Klimakonferenzen sind viele im Vorfeld ernüchtert. Sie erwarten einen Kompromiss, der dem Klima wenig hilft und Europas Unternehmen weiter ins Abseits stellt.

Rupprechter: Ich teile die Erwartung nicht. So weit wie diesmal waren wir beim Klimaschutz noch nie. 150 Staaten haben Angebote gelegt, wie sie ihre Emissionen reduzieren wollen. Darunter so große Emittenten wie die USA, China, Brasilien oder Indien. Die Chance müssen wir nützen, um zu einem international verbindlichen, globalen Abkommen zu kommen. Das würde auch unsere Industrie schützen und ihre Abwanderung in andere Länder stoppen.

Georg Kapsch: Die Industrie ist noch lange nicht gerettet. Es wird entscheidend sein, dass am Ende der Konferenz ein Vertrag steht, an den sich wirklich alle Länder halten müssen. Noch ein Alleingang der EU ist inakzeptabel. Ich teile den Optimismus des Ministers hier nicht. Sowohl USA als auch China bieten nur an, was sie ohnedies vorhatten. Im Vergleich zu Europa ist das nichts. Und verbindlich sind die Ziele auch nur in der EU.


Herr Kapsch, was ist aus Sicht der Industrie denn die Alternative? Oder lässt Sie der Klimawandel kalt?

Kapsch: Nein, es steht außer Frage, dass wir einen starken Klimaschutz brauchen. Und die heimische Industrie hat bewiesen, dass sie ihren Energieverbrauch und ihre Emissionen stark zurückfahren kann. Das heißt aber auch, dass wir technologisch nicht mehr so viel Raum nach oben haben wie andere. Und bei all dem dürfen wir auch die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht vergessen. Die kann nur erhalten werden, wenn es weltweit ähnliche Sozial-, Umwelt- und Finanzierungsstandards gibt. Die gibt es aber nicht. Daher geraten wir als Europäer ins Hintertreffen. Das kostet Jobs und wird zu sozialen Unruhen führen. Allein schafft Europa gar nichts, wir sind nur für rund zehn Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Und ob wir in der Lage sind, die anderen zu zwingen, es auch zu tun und das überwachen zu lassen, ist mehr als fraglich. Ohne verbindliche und kontrollierbare Ziele für alle ist das Abkommen in Paris nichts wert. Und dann sollte Europa auch nicht noch weiter allein vorangehen.

(c) Die Presse


Droht Paris zu scheitern, Herr Minister? Sollte die EU auf ihre Klimaschutzziele verzichten, wenn sich die anderen Staaten nicht auch verpflichten wollen?

Rupprechter: Paris darf und wird nicht scheitern. Wir wollen ein international verbindliches Abkommen. Das ist die Position der Europäischen Union, und so steht es auch im Verhandlungsentwurf. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir das schaffen werden.


Das heißt, im Zweifelsfall soll auch Europa nicht mehr tun als bisher?

Rupprechter: Wir wollen ein griffiges, verbindliches Abkommen.
Kapsch: Ich nehme für mich und die Industrie mit: Einen Alleingang Europas wird es im heurigen Jahr also nicht geben?
Rupprechter: Das haben die Staats- und Regierungschefs vorher schon festgeschrieben – auf UNO-Ebene. Wenn ich verhandeln gehe und von vorneherein sage, ich erreiche es eh nicht, dann werde ich es auch nicht erreichen. Österreich verhandelt nicht isoliert, sondern wir sind eingebunden in die EU. Es wäre für alle blamabel, wenn wir ohne Abkommen vom Tisch gehen.


Ein Versuch der EU, das Klima zu retten, scheitert gerade: Der CO2-Handel ist eine Dauerbaustelle. Unternehmen klagen über die Kosten, dem Klima hilft er nicht. Lässt sich der Markt reparieren?

Rupprechter: Wir sind eingebunden ins Emissionshandelssystem der EU. Der Gefahr, dass Firmen aufgrund der CO2-Kosten abwandern, hat man durch die Zuteilung von Gratiszertifikaten Rechnung getragen. Heute ist klar, dass wir das Emissionshandelssystem revidieren müssen. Österreichs Industrie zählt zu den klimafreundlichsten der EU. Das muss bei der Zuteilung neuer Gratiszertifikate berücksichtigt werden.
Kapsch: Wir sehen die Bemühungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. Aber die Kommission hat auch in ein vereinbartes System eingegriffen (künstliche Verknappung der CO2-Zertifikate, um den Preis zu heben, Anm.). Das verunsichert Investoren, weil sie nicht wissen, was auf sie in Europa zukommt. Beim Klimaschutz würde ich ganz andere Wege gehen. Wir müssen beginnen, die Produkte zu belasten und nicht die Produktion, dann erwischen wir auch den Import.
Rupprechter: Da stimme ich zu hundert Prozent mit dem Herrn Präsidenten überein.


Also ein klares Ja von Ihnen beiden zu einer europaweiten CO2-Steuer.

Kapsch: Steuer habe ich nicht gesagt. Reden wir nicht von Steuern. Die Belastung auf das Produkt, nicht auf die Produktion. Das ist ein Ansatz. Aber keine neuen Steuern.
Rupprechter: Es hat wenig Sinn kurz vor Inkrafttreten der Steuerreform neue Steuern zu erfinden. Aber der Ansatz ist der richtige.


In Österreich wird Klimaschutz auch mit dem Argument beworben, dass er Arbeitsplätze schafft. Stimmt das? Wie viele „green jobs“ gibt es wirklich?

Rupprechter: Ich bin überzeugt, dass ambitionierte Ziele im Klima- und Umweltschutz auch die Industrie nach vorne bringen. Bestes Argument ist die starke Abhängigkeit Österreichs von fossilen Brennstoffen. Wir importieren so viel, was wir im Land erzeugen könnten. Deshalb ist auch die erneuerbare Energie so wichtig für mich. Derzeit haben wir 170.000 „green jobs“. Die Zuwachsraten sind stark, während der Rest der Wirtschaft nur moderat wächst.


Ihr Vorgänger versprach vor wenigen Jahren 200.000 zusätzliche „green jobs“ bis 2020. IHS und Wifo sagen: Die Jobs sind zwar da, sie sind aber nicht neu. Viele Maurer und Dachdecker wurden in der Statistik einfach zu „grünen“ Arbeitern umetikettiert.

Rupprechter: Das ist eine starke Definitionsfrage. Aber jetzt hat man sich darauf geeinigt, wer zu den „green jobs“ zählt, und ich halte das Ziel von 200.000 neuen Arbeitsplätzen in diesem Bereich immer noch für realistisch.

Kapsch: Ich bin kein großer Freund dieser Bezeichnung. Nicht nur Windräder und Solarpanels sind „grüne“ Technologie, sondern auch viele Produkte der Elektronikindustrie. Das wird in der öffentlichen Wahrnehmung etwas eingeschränkt gesehen. Natürlich werden hier teils Jobs geschaffen, wir müssen nur darauf aufpassen, dass uns durch den Klimaschutz nicht mehr Jobs abwandern als geschaffen werden. Wenn wir ein internationales Abkommen erreichen, das fair ist, können wir Jobs gewinnen. Wenn nicht, führt es mit Sicherheit zu Arbeitsplatzverlust in Europa.

Zur Person

Andrä Rupprechter (* 1961) wuchs in einer Tiroler Bauernfamilie auf. Seit 2013 ist der ÖVP-Politiker Österreichs Umwelt- und Landwirtschaftsminister. Zuvor war der Agrarökonom auf EU-Ebene tätig.

Georg Kapsch (* 1959) ist gebürtiger Wiener, Industrieller (Kapsch AG) und seit 2012 der Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung. In diesem Amt ist er der oberste Industrielobbyist im Land.

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