„Gefärbt“: Eklat um Pensionsbericht

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Ein Expertenbericht zeichnete ein zwiespältiges Bild über die Entwicklung der Pensionen. Die Mehrheit der Kommission fand die Prognose „politisch gefärbt“ und lehnte sie ab.

Es hätte ein Bericht sein sollen, wie ihn viele Expertenkommissionen der Regierung jedes Jahr vorlegen. Eine Beurteilung, wie sich die Pensionen bis 2020 entwickeln. Weder allzu gut noch allzu schlecht, lautete das Urteil der am Freitag verbreiteten sogenannten „Mittelfristprognose“. Der notwendige Zuschuss des Bundes zu den Pensionen werde spürbar geringer ausfallen als ursprünglich prognostiziert.

Dennoch wird der Bund im Jahr 2020 bereits 3,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), in absoluten Zahlen 13,18 Milliarden Euro, aus dem Budget in das Pensionssystem zuschießen müssen. Man hätte den Bericht zur Kenntnis nehmen und ablegen können. Stattdessen gab es am Freitag abend einen Eklat: In einer Sitzung der beim Sozialministerium angesiedelten Pensionskommission wurde die Prognose abgelehnt – ein bisher einzigartiger Schritt. Welche Konsequenzen die Ablehnung hat, war nicht sofort klar. Möglicherweise muss der Bericht nachgebessert oder überarbeitet werden.

15 zu 13 gegen den Bericht

15 der 29 Mitglieder stimmten gegen den Bericht, die meisten davon sind der ÖVP zuzurechnen. 13 (der SPÖ zuzurechnen) stimmten für die Prognose, eine Person enthielt sich der Stimme. Kommissionsvorsitzender Rudolf Müller erklärte, die ÖVP-Vertreter hätten bemängelt, dass ein Vergleich mit dem im Nationalrat beschlossenen Budget fehle, die Darstellung im Gutachten zu optimistisch sei und der Anstieg der benötigten Bundesmittel verschleiert werde. Außerdem seien die Zahl der Rehabilitationsgeld-Bezieher eingefordert und die Berechnungsmethode bei der Pensionsquote hinterfragt worden.

Ein Mitglied der Kommission meinte zur „Presse“, der Bericht sei „parteipolitisch gefärbt“. Er meinte damit, dass er ein der SPÖ entgegenkommendes, zu positives Bild über die Entwicklung der Pensionssituation zeichnet. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ließ über seinen Sprecher am Freitag abend wissen: „Es ist schade, dass man ein positives Ergebnis nicht zur Kenntnis nehmen will.“ So positiv war das Ergebnis der Experten dann doch nicht. Sie prognostizierten bis 2020, dass die Bundesmittel von derzeit drei Prozent des BIPs auf die besagten 3,35 Prozent steigen werden. Die jährliche Steigerung klettert von 3,7 Prozent von heuer auf 2016 auf 5,6 Prozent von 2019 auf 2020.

Im Vergleich zum letzten Mittelfristgutachten der Pensionskommission aus dem Jahr 2014 müssten bis einschließlich 2019 aber etwa vier Milliarden Euro weniger in das Pensionssystem zugeschossen werden. Zudem verbessere sich die Pensionsquote, also die Zahl der Pensionisten pro 1000 Erwerbstätige. 2014 waren es 617 Pensionisten pro 1000 Erwerbstätige, 2017 werden es 609 sein. Damit sei wieder der Wert von 2008 erreicht. In Saus und Braus werden die 2,46 Millionen Pensionisten, die es 2020 geben wird, nicht leben können: Die monatliche Durchschnittspension wird laut Bericht 1216 Euro brutto betragen. Derzeit liegt die durchschnittliche Pensionshöhe bei 1075 Euro brutto.

Kritik und Lob von Experten

Wie viel Interpretationsspielraum das Gutachten lässt, sah man am Freitag an den politischen Reaktionen. Die Wirtschaftskammer meinte, die finanzielle Situation des Pensionssystems sei kritisch. Die Arbeiterkammer dagegen ist überzeugt, dass man mit den bereits getätigten Reformen auf einem guten Weg sei. Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria verwies auf die Baby-Boomer: in 15 Jahren werde man eine Verschärfung des Pensionsproblems haben, meinte Experte Michael Christl.

Laut Vereinbarung soll die Pensionskommission bis 30. November ein Gutachten vorlegen. Ob diese Vorgabe auch nach der Ablehnung des Prognose als erfüllt gilt, ist nicht klar. Vorsitzender Müller meinte, man habe fristgerecht ein Gutachten erstellt. Dass diese abgelehnt wurde, sei „politisch unerfreulich, aber so ist es“. Weitere Konsequenzen habe es nicht. Für die Neos ist mit dem Schritt am Freitag die „Zeit des Schönfärbens“ vorbei. Man habe bereits im Zuge der parlamentarischen Budgetdebatte kritisiert, dass zwischen den Budgetzahlen und den Zahlen der Kommission hunderte Millionen Euro Differenz liegen. Das wolle man nicht einfach zur Kenntnis nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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