Luc Bondy: Die Bühne war sein weites Land

Er war ein nimmermüder Springer zwischen Theatern, Stücken, Autoren – und seinen beiden Sprachen: Luc Bondy (1948–2015).
Er war ein nimmermüder Springer zwischen Theatern, Stücken, Autoren – und seinen beiden Sprachen: Luc Bondy (1948–2015). Michael Appelt / Verlagsgruppe News / picturedesk.com
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Regisseur Luc Bondy ist mit 67 Jahren gestorben. Über ein bedeutendes Theaterleben zwischen Deutschland, Paris und Wien – mit österreichisch-ungarischen Wurzeln.

Wo war ich?“, nannte er seine Autobiografie – seine imaginäre Autobiografie, wie er gern betonte. Sein ganzes Leben sei ja ein imaginäres, er habe nicht wirklich eine reale Existenz. Ja, wo war er, der nimmermüde, quirlige Springer zwischen Theatern, Stücken und Autoren, zwischen seinen zwei Sprachen Französisch und Deutsch – und wo ist er heute?

Luc Bondy, der einer der wichtigsten europäischen Theatermacher war und 15 Jahre lang die Wiener Festwochen geprägt hat, ist im schmerzlich frühen Alter von 67 Jahren gestorben. Vor einem Jahr hatte man ihn noch als Nachfolger des 2017 abtretenden Claus Peymanns am Berliner Ensemble gehandelt. Doch Luc Bondy war zuletzt bereits schwer krank. „Dites-moi qui je suis pour vous“ („Sagt mir, wer ich heute für euch bin“): Der französische Titel seiner Memoiren klingt nun wie eine Aufforderung an die noch lebende Theaterwelt.

Lang hat Luc Bondy an deutschen Bühnen inszeniert, dennoch kreiste ein Großteil seines Lebens um Wien und Paris. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Österreich-Ungarn, und waren schon von Literatur- und Theaterleidenschaft infiziert. Ein Urgroßvater war Direktor des Deutschen Theaters in Prag und verheiratet mit einer bekannten Schauspielerin, der in die Schweiz übersiedelte Großvater Autor und Feuilletonist; der Vater studierte in Paris und wurde ein bekannter Literaturkritiker. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung ausgewiesen, ließ sich in Zürich nieder und heiratete eine deutsche Jüdin.

Idol Ionesco

Bondys Vater war es, der maßgeblich den Polen Schriftsteller Witold Gombrovicz in Frankreich bekannt machte, diesen bedeutenden Exil-Literaten. Und mit dem Stück eines Polen („Der Narr und die Nonne“ von Stanisław Ignacy Witkiewicz) debütierte der in Zürich geborene Sohn Luc 1971 in Deutschland als Regisseur, nachdem er zwei Jahre lang beim berühmten Pantomimen Jacques Lecoq in Paris gelernt hatte. Als Regieassistent arbeitete er dann am Hamburger Thalia Theater unter anderem mit dem österreichischen Regisseur und Volkstheaterdirektor Gustav Manker und inszenierte dort zum ersten Mal einen seiner Lieblingsautoren: Ödön von Horváth. Auch mit seinem Jugendidol Eugène Ionesco, einem Freund seines Vaters, durfte er einmal arbeiten.

Schnitzler: Paukenschlag bei Paris

In den folgenden Jahren brachte er an verschiedensten deutschen Bühnen, wie dem Münchner Residenztheater, den Kammerspielen oder dem Schauspiel Köln Stücke von Autoren auf die Bühne, die er liebte: von Beckett, Horváth, Shakespeare – aber auch vom britischen Dramatiker Edward Bond, mit dessen Stück „Die See“ er seinen ersten Triumph feierte.

Dieses Anfang der 1970er-Jahre entstandene Stück ist mit seiner Thematik (zwischenmenschliche und soziale Entfremdung) recht typisch für Bondys Regievorlieben. 1984 inszenierte er zum ersten Mal Arthur Schnitzler – ein Paukenschlag, aber nicht an einem deutschsprachigen Theater, sondern im Pariser Vorort Nanterre, wohin ihn der große Regiekollege Patrice Chéreau geholt hatte. Diese Aufführung von „Terre étrangère“, „Das weite Land“, erhielt die Große Theater-Trophäe des französischen Theater- und Musikkritikerverbandes, später wurde daraus ein fabelhaft besetzter Film – unter anderem mit Michel Piccoli, Jutta Lampe, Wolfgang Hübsch und Gabriel Barylli. Piccoli und etliche weitere große französische Schauspieler sollten ihm noch lange treu bleiben. „Das weite Land“ blieb auch nicht Bondys letzte große Schnitzler-Inszenierung in Frankreich, 1989 folgte „Der einsame Weg“.

Da hatte Luc Bondy seine dreijährige Ko-Intendanz Mitte der Achtzigerjahre an der Berliner Schaubühne (nach dem Rücktritt Peter Steins) bereits hinter sich. Die Berliner Schaubühne blieb auch danach eine seiner wichtigsten Spielstätten. Und Botho Strauß der von Bondy wohl meistinszenierte Gegenwartsautor. Von ihm brachte er unter anderem zwei Uraufführungen auf die Bühne, Die Zeit und das Zimmer“ sowie, bei den Salzburger Festspielen 1993, „Das Gleichgewicht“.

Den Salzburger Festspielen, genauer gesagt dem damals neuen Intendanten Gérard Mortier, verdankte Bondy ein Jahr davor auch seinen Einstand als Opernregisseur. Mortier brachte Richard Strauss' „Salome“ auf die Bühne, Christoph von Dohnany dirigierte und Luc Bondy führte Regie. Wenige Jahre später inszenierte er in Salzburg „Figaros Hochzeit“ mit Nikolaus Harnoncourt am Pult.

Eine Ära in Wien

Aber keiner Stadt war Luc Bondy so lange Zeit durchgehend verbunden wie Wien, als Festwochen-Chef. Zunächst war er ab 1998 Schauspieldirektor, vier Jahre später übernahm er die Intendanz der Wiener Festwochen; sie sollte elf Jahre dauern. Von Wien hoch dekoriert, mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Stadt und einem Nestroy-Preis für sein Lebenswerk, begann er in Paris 2013 das Odéon-Theater zu führen. Wenige Wochen nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ triumphierte er mit Tschechows „Ivanow“. Seine für Jänner 2016 geplante „Othello“-Inszenierung sei wegen Krankheit verschoben, hieß es Anfang November. Schon davor hatte Bondy die Regie zur Rihm-Oper „Die Eroberung von Mexiko“ bei den Salzburger Festspielen absagen müssen.
Bondys kindliche Quirligkeit und Spiellust schienen bis zuletzt unverwüstlich. Stets wirkte er beweglich und bewegt, ruhen wollte er nie, der Tod blieb ihm ein schlimmes Rätsel. „Er ist leidend gestorben“, sagte er über Peter Zadek. „Wie man von der Erde verschwindet, ist gesetzlos grausam, man versteht es nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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