Kassen: Bittner rügt die „Stadt der Säftemesser“

(c) Reuters (Herwig Prammer)
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Für den scheidenden Wiener Kassenobmann wird nicht zu viel, aber falsch in die Gesundheit investiert. Dass der defizitären Wiener Kasse schlechtes Wirtschaften vorgeworfen wurde, ärgert Bittner nach wie vor.

WIEN(c.d.). Franz Bittner wechselt die Seiten: Per Ende Juni verlässt er die Wiener Gebietskrankenkasse als Obmann und geht unter die Berater. Bittner bleibt aber stellvertretender Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten/Druck/Journalismus/Papier (GPA-DJP), obwohl er künftig als geschäftsführender Gesellschafter der Firma „Peri Human Relations“ auch Arbeitgeber sein wird. Sein Partner Robert Riedl hat jahrelange Erfahrungen mit Werbung und PR.

Er habe in den letzten zwölf Jahren so manchen „Betonblock mitgeschleppt, und mit dem Alter wird das nicht leichter“, erklärte der 55-Jährige Bittner, warum er sich noch einmal neu orientieren will. Der Zeitpunkt sei günstig: Die Direktoren der Wiener Kasse seien neu bestellt – „ein Team, mit dem ich am Anfang gerne gearbeitet hätte“ – und die Wiener Kasse werde demnächst zumindest teilweise entschuldet.

Dass der defizitären Wiener Kasse schlechtes Wirtschaften vorgeworfen wurde, ärgert Bittner nach wie vor: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Das Problem liege oft anderswo: „Politiker tun gerne Gutes für die Menschen, vergessen aber, dass das auch finanziert werden muss.“ Stichwort: Rezeptgebühren-Deckel. Als positiv hob Bittner hervor, dass in seiner Zeit die Psychotherapie auf Krankenschein eingeführt wurde. Auf der Negativseite steht die Kürzung des Krankengeldes von 78 auf 52 Wochen unter Schwarz-Blau.

Trotz wiederholter Angriffe aus den ÖVP-Reihen ist Bittner seinen schwarzen Gegenübern nicht gram, im Gegenteil. Mit Klubobmann Karlheinz Kopf verstand er sich besonders gut, nicht zuletzt dank langer Verhandlungen zur letztlich gescheiterten Gesundheitsreform 2008. Im Übrigen auch einer der Gründe, warum Bittner nun geht. Er lobte am Dienstag sogar Ex-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, mit der ihn in ihrer Amtszeit weniger verband. Rauch-Kallats Gesundheitsplattformen könnten nämlich ein Ansatz für eine echte Gesundheitsreform sein – samt Finanzierung aus einer Hand und Reform der föderalen Strukturen.

Was derzeit zwischen Ärzten und Hauptverband verhandelt werde, sei keine echte Reform, höchstens ein Ansatz dazu. Bittner glaubt zwar nicht, dass zu viel für die Gesundheit ausgegeben werde, nur manchmal fürs Falsche: So sei Wien eine „Stadt der Säftemesser und Bildermacher“ (Labor und Röntgen), außerdem würden viel zu viele Medikamente geschluckt, weshalb so mancher im Spital lande.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2009)

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