Begutachtung: Viel Kritik an "Asyl auf Zeit"

Auch die geplante Einschränkung beim Familiennachzug ist höchst umstritten, hat das Begutachtungsverfahren ergeben.

Auf fast einhellige Ablehnung stoßen die vom Innenministerium geplanten Verschärfungen im Asylrecht. Weder "Asyl auf Zeit" noch die Einschränkungen beim Familiennachzug haben im Begutachtungsverfahren Anklang gefunden. Im Gegenteil werden Bedenken geäußert, ob einzelne Bestimmungen überhaupt verfassungskonform sind bzw. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) entsprechen.

Grundsätzlich ist (rückwirkend mit Mitte November) vorgesehen, dass Asyl zunächst für maximal drei Jahre gewährt wird. Danach muss in allen Einzelfällen geprüft werden, ob die Fluchtgründe noch gegeben sind. Sind sie das nicht, wird die betroffene Person ausgewiesen, ansonsten der Asylstatus unbefristet verlängert.

Dies stößt aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik. Die Wiener Landesregierung befindet in ihrer Stellungnahme, dass die neuerliche Bearbeitung nur zu einer Verdoppelung des bürokratischen Mehraufwandes beitrage. Seitens der Volksanwaltschaft wird bezweifelt, dass die Behörden in angemessener Zeit den zusätzlichen Aufwand administrieren können. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Verwaltungsgerichtshof, der auch in seinem Bereich zusätzliche Verfahren erwartet und betont, dass man bei Umsetzung des Gesetzes zusätzlich mindestens zwei Hofräte und entsprechendes Unterstützungspersonal bräuchte.

In fast allen Stellungnahmen wird darauf hingewiesen, dass es schon jetzt gesetzlich diverse Möglichkeiten gebe, einen Asyltitel wieder abzuerkennen, eine Änderung also nicht nötig sei. Die "Agenda Asyl", ein Zusammenschluss unter anderem von Diakonie, Volkshilfe und Asylkoordination, nennt es "einigermaßen befremdlich", wenn in Österreich eine Befristung des Schutzstatus eingeführt werden soll, während Deutschland diese Bestimmung mit 1. August abgeschafft habe.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kritisiert, dass sich die befristete Aufenthaltsberechtigung negativ auf die Integrationschancen von Asylberechtigten auswirken würde. Der Rechtsanwaltskammertag erwartet, dass sich Probleme sowohl bei Mietverträgen als auch bei Arbeitsverhältnissen ergeben werden. Auch Wien geht davon aus, dass Arbeitgeber Personen mit unbefristetem Aufenthaltsrecht gegenüber Personen mit befristetem Status den Vorzug geben werden. Letztere würden dann in die Mindestsicherung fallen und den Ländern Zusatzkosten verursachen.

Die Wirtschaftskammer drängt darauf, nicht alle Flüchtlinge bei der Befristung über einen Kamm zu scheren. Jene, die zumindest seit einem Jahr in vollversicherungspflichtiger Beschäftigung sind, sollten jedenfalls nach drei Jahren unbefristet in Österreich bleiben dürfen.

Auf starken Widerstand stoßen auch die Verschärfungen beim Familiennachzug. Bei Asylberechtigten muss ja künftig der Antrag innerhalb von drei Monaten gestellt werden, um ohne zusätzliche finanzielle Voraussetzungen die Familie nach Österreich holen zu können. Subsidiär Schutzberechtigte müssen nach den vorliegenden Plänen nicht mehr ein Jahr sondern gleich drei Jahre warten, bis die Familie nachreisen kann.

Die Rechtsanwälte betonten, dass für Minderjährige die langjährige Trennung von ihren Eltern ein wesentlich schwerwiegenderer Eingriff in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sei als für Volljährige. Fraglich scheine daher, ob die vorgesehene Neuregelung in Hinblick auf diese Gruppe noch als verfassungskonform anzusehen wäre. Für die Volksanwaltschaft wiederum stehen die Restriktionen in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu Art. 8 EMRK.

Als Folge der Einschränkungen wird etwa vom UNHCR und SOS Kinderdorf angenommen, dass viel mehr Mütter und noch jüngere unbegleitete Minderjährige die Dienste von Schleppern in Anspruch nehmen werden, um auf gefährlichen Routen nach Österreich zu kommen. Die Agenda Asyl vermutet, dass die Neuregelungen schon aufgrund organisatorischer Abläufe dazu führen werden, dass der Familiennachzug scheitert.

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(APA)

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