Heftige Kritik am „Asyl auf Zeit“

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Erfurt 081015 die Th�ringenhalle in der Werner Seelenbinder Strasse wurde zur Asylunterkunft f�r(c) imago/Bild13 (imago stock&people)
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Volksanwaltschaft, Rechtsanwaltskammer, UNHCR und andere Organisationen lehnen die geplanten Änderungen im Asylrecht ab.

Wien. Der Gesetzesentwurf, auf Grund dessen Asyl künftig nur noch befristet auf drei Jahre gewährt wird, ist im Begutachtungsverfahren auf weitreichende Kritik gestoßen – und zwar nicht nur bei Menschenrechtsorganisationen. Geplant ist (rückwirkend mit Mitte November), dass Asyl zunächst für drei Jahre gewährt wird. Danach muss in allen Einzelfällen geprüft werden, ob die Fluchtgründe noch gegeben sind. Sind sie das nicht, wird die betroffene Person ausgewiesen, andernfalls der Asylstatus unbefristet verlängert.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kritisiert, dass sich die befristete Aufenthaltsberechtigung negativ auf die Integrationschancen von Asylberechtigten auswirken würde. Der Rechtsanwaltskammertag erwartet, dass sich Probleme sowohl bei Mietverträgen als auch bei Arbeitsverhältnissen ergeben werden. Auch Wien geht davon aus, dass Arbeitgeber Personen mit unbefristetem Aufenthaltsrecht gegenüber Personen mit befristetem Status den Vorzug geben werden. Letztere würden dann in die Mindestsicherung fallen und den Ländern Zusatzkosten verursachen.

Die Volksanwaltschaft sieht eher die Probleme in der Bürokratie: Die systematische Prüfung jedes einzelnen Antrags bedeute zusätzlichen enormen Verwaltungsaufwand, dem kein Steuerungseffekt in Bezug auf die derzeit hohen Asylantragszahlen entgegenstehe. Und die Volksanwaltschaft bezweifelt, ob das Bundesamt für Fremdenwesen überhaupt in der Lage sein werde, die zusätzlichen Aufgaben in angemessener Zeit zu administrieren. Denn bisher habe man es – bei einer deutlich geringeren Zahl an Asylanträgen als in diesem Jahr – nicht einmal geschafft, die Verfahren in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten abzuschließen. Diese zusätzliche Aufgabe würde die Dauer der Asylverfahren weiter verzögern, so die Befürchtung.

In fast allen Stellungnahmen wird auch darauf hingewiesen, dass es schon jetzt gesetzlich diverse Möglichkeiten gebe, einen Asyltitel wieder abzuerkennen, eine Änderung also nicht nötig sei.

Familiennachzug erschwert

Auf starken Widerstand stoßen auch die Verschärfungen beim Familiennachzug. Bei Asylberechtigten muss ja künftig der Antrag innerhalb von drei Monaten gestellt werden, um ohne zusätzliche finanzielle Voraussetzungen die Familie nach Österreich holen zu können. Subsidiär Schutzberechtigte – das sind Personen, die kein Asyl erhalten, aber auch nicht in ein Krisengebiet zurückgeschickt werden können – müssen nach den vorliegenden Plänen drei Jahre statt bisher ein Jahr warten, bis die Familie nachreisen kann. Und sie müssen dann ein relativ hohes Einkommen und Wohnraum nachweisen.

UNHCR appelliert, diese Verschärfung nochmals zu überdenken. Bei den subsidiär Schutzberechtigten sei dies eine massive Beschneidung des Rechts auf Familienleben. Aber auch bei anerkannten Flüchtlingen sieht UNHCR hohe Hürden. Der Antrag auf Familiennachzug muss an einer österreichischen Botschaft gestellt werden. In vielen Fällen werde es aber nicht möglich sein, die Reise zur Botschaft rechtzeitig innerhalb der Dreimonatsfrist anzutreten.

Die Rechtsanwälte betonten, dass für Minderjährige die langjährige Trennung von ihren Eltern ein wesentlich schwerwiegenderer Eingriff in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sei als für Volljährige. Fraglich scheine daher, ob die vorgesehene Neuregelung in Hinblick auf diese Gruppe noch als verfassungskonform anzusehen wäre. UNHCR und SOS Kinderdorf nehmen an, dass als Folge der Einschränkungen viel mehr Mütter und noch jüngere unbegleitete Minderjährige die Dienste von Schleppern in Anspruch nehmen werden, um auf gefährlichen Routen nach Österreich zu kommen.

Senioren unterstützen Gesetzesnovelle

Aber der Gesetzesentwurf ist nicht nur auf Kritik gestoßen. Der österreichische Seniorenrat unterstützt die Befristung des Asylstatus „nachdrücklich“ und bewertet auch die Erschwerungen bei Familienzusammenführungen positiv. Und die niederösterreichische Landesregierungen teilt extra mit, dass man gegen die Gesetzesänderungen „keine Einwendungen“ habe. (maf/APA)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2015)

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