Flüchtlinge: Süffisanz-Wettbewerb nach dem Ministerrat

Austrian Minister for Europe, Integration and Foreign Affairs Kurz listens during a news conference on migrants´ integration in Vienna
Austrian Minister for Europe, Integration and Foreign Affairs Kurz listens during a news conference on migrants´ integration in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Die Regierungsspitze liefert sich auf offener Bühne einen Schlagabtausch zum Thema Asyl. Einen neuen Vorschlag bringt Außenminister Kurz ein: Beim Asyl auf Zeit soll es Ausnahmen für gut Integrierte geben.

Wien. Es hat sich ein süffisanter Ton in der Doppelconference der Regierungsspitze nach dem Ministerrat breitgemacht. „Es freut mich, dass ich zum ersten Mal vom Bundeskanzler gehört habe, dass weniger Flüchtlinge kommen sollen“, stichelt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in Richtung Werner Faymann.

Das lässt dieser nicht lang auf sich sitzen. Er habe immer schon gesagt, dass es darum gehe, die Zahl der Flüchtlinge zu senken, kontert der Bundeskanzler – um gleich zurückzusticheln: „Ich habe nie Vorschläge gemacht, die man nicht gut verwirklichen kann, die nur drei Tage gut klingen, bis alle draufkommen: Man kann's nicht machen“, spielt er auf ÖVP-Minister wie Innenressort-Chefin Johanna Mikl-Leitner und Integrationsminister Sebastian Kurz an.

Das wiederum will Mitterlehner nicht so im Raum stehen lassen: „Im Gegenteil, die Sache ist so, dass das drei Tage abgelehnt wird, und dann geht man in die Umsetzung“, so der ÖVP-Chef, der damit die Rolle des Themenführers eindeutig bei seiner Partei sieht.

Doch trotz all des Geplänkels – Kanzler und Vizekanzler sind sich in einem wesentlichen Punkt einig: Die Abmachung mit der Türkei könne ein entscheidender Schritt aus der Asylkrise sein. Wenn die Flüchtlinge in der Türkei besser versorgt würden, kämen sie gar nicht erst auf die Idee, nach Europa aufzubrechen, so Faymann. Einig ist sich die Regierung offensichtlich auch darüber, dass mehr abgelehnte Asylwerber abgeschoben werden sollten. Mikl-Leitner selbst sah „Luft nach oben“ in ganz Europa bei dieser Frage. Die EU müsse verstärkt Rückübernahmeabkommen verhandeln, so Faymann und Mitterlehner.

Und wenn das Abkommen mit der Türkei nicht die erhoffte Wirkung hat? Dann müsse Österreich „kapazitätsorientierte Obergrenzen“ festlegen, sagt Mitterlehner: „Irgendwann gehen die Quartiere, die Betreuungskapazitäten und auch das Geld zu Ende.“ Faymann will sich dazu noch nicht äußern.

Ausnahmen bei Asyl auf Zeit

Einen neuen Vorschlag hat Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz in die Diskussion eingebracht: Bei der geplanten Neuregelung von Asyl auf Zeit solle es Ausnahmen geben. Der Gesetzesentwurf der Regierung sieht ja vor, dass bei anerkannten Asylwerbern nach drei Jahren geprüft wird, ob die Asylgründe noch vorliegen oder ob sie – bei Verbesserung der Menschenrechtssituation in ihrem Heimatland – wieder zurückgeschickt werden können.

Kurz schlägt nun Ausnahmen vor: Nach drei Jahren solle auch der persönliche Integrationsfortschritt überprüft werden. Wer sich gut integriert hat und beispielsweise die Sprache gut beherrscht und eine Arbeit hat, solle – unabhängig von der Lage im Herkunftsland – bleiben dürfen. Faymann ist damit nicht ganz einverstanden. Kurz solle Details vorlegen, aber eigentlich würde doch „das Signal, das wir hier setzen wollten mit Asyl auf Zeit konterkariert“.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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