Klug in Bosnien: "Die Zeit des Kopfeinziehens ist vorbei"

ARCHIVBILD: WEIHNACHTSBESUCH VON BM KLUG IN BOSNIEN / KLUG
ARCHIVBILD: WEIHNACHTSBESUCH VON BM KLUG IN BOSNIEN / KLUGAPA/BUNDESHEER/PUSCH
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200 österreichische Soldaten sind derzeit in Bosnien stationiert. Diese Woche bekamen sie Besuch von Verteidigungsminister Gerald Klug. Er will sich weiterhin auf dem Balkan engagieren.

Auch 500 Kilometer von Wien entfernt entkommt man der österreichischen Innenpolitik nicht. Zumindest nicht ganz: Gerald Klug sitzt in einem Nebenzimmer der Ö-Bar, des Gemeinschaftsraums der österreichischen Truppe in Sarajevo, und diskutiert am Telefon. Mit wem – und worüber genau –, ist nicht überliefert. Aber es geht wohl um die chaotische Asylpolitik im Inland. Und es scheint kompliziert.

Nebenan ist die Stimmung um einiges gelöster. Die Soldaten schlürfen Tee und Kaffee, spielen eine Partie Tischfußball. Und sie erzählen. Das Bundesheer sei hier in Bosnien angesehen. Nicht nur innerhalb der Bevölkerung. Sondern auch bei den anderen Nationen, die an der EU-Mission Eufor Althea teilnehmen. Schließlich ist der Chef des Einsatzes auch ein Österreicher – Burgenlands Militärkommandant, Johann Luif.

Nach einer Weile stößt auch Klug wieder zu den Soldaten. Und nicht nur die Truppe, auch der Minister ist bemüht zu zeigen: Bei all den Diskussionen und Streitereien im Inland funktionieren die Einsätze des Heeres im Ausland sehr gut.


Drittgrößte Mission. Nach den Missionen im Libanon und Kosovo ist jene in Bosnien die dritte, an der sich das Heer mit einem größeren Kontingent beteiligt: 200 Soldaten sind hier stationiert (und auch drei heimische Helikopter). 130 Uniformierte sind in der Heimat als Reserve vorgesehen – bricht in dem Land ein Notfall aus, sollen sie binnen 72 Stunden einsatzbereit sein.

Insgesamt nehmen 600 Soldaten an der Mission teil – unter anderem aus Großbritannien und Italien. Einige Staaten, darunter Deutschland, haben sich in den vergangenen Jahren aus dem Einsatz zurückgezogen: Zu Beginn der Mission (im Jahr 1995 unter Nato-Führung) waren es noch 60.000 Militärs, die nach dem Krieg wieder Ruhe in das Land einkehren lassen sollten.

Dabei ist auch 20 Jahre nach Abschluss des Dayton-Friedensabkommens die Lage in Bosnien angespannt. Die Wunden des Krieges, der zwischen 1992 und 1995 wütete, seien noch tief, berichten österreichische Beobachter in Sarajevo. Auch die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung sei noch groß. Der Balanceakt der Mission: Bosnien rasch in die Eigenständigkeit zu begleiten, ohne das Land zu überfordern.

Klug will daher die Mission im Land fortsetzen – „und zwar so lange, bis es nicht mehr erforderlich ist“. Allgemein sei es ihm ein „großes Anliegen, dass das Bundesheer einen Teil zu einer nachhaltig engagierten Westbalkan-Politik beiträgt“, sagt er. Österreich habe ein „ureigenes Interesse“, dass sich die Region „friedlich und stabil“ weiterentwickeln kann.


Fokus Afrika. Ganz allgemein will sich Klug in Zukunft stärker auf internationale Einsätze konzentrieren: „Ich habe beobachtet, dass Auslandseinsätze robuster werden – und an Bedeutung zunehmen“, sagt er. Und: „Die Zeit des Kopfeinziehens ist vorbei.“

Allerdings bezieht sich der Minister damit nicht auf den Balkan. Sondern vielmehr auf den afrikanischen Kontinenten: „Hier haben wir bereits mit einem verstärkten Engagement begonnen“, sagt er. So ist Österreich in Mali vertreten. Sechs Personen nehmen dort an einer EU-Trainingsmission teil. Ab Februar sollen außerdem 15 Soldaten an einer UNO-Mission teilnehmen.

Mali könnte in Zukunft aber zusätzlich eine wichtige Rolle für das Bundesheer spielen: Deutschland hat bereits angekündigt, 650 Soldaten nach Mali zu schicken, um Frankreich im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat zu unterstützen. Und auch Wien könnte Paris in der Region entlasten: Allerdings nicht durch zusätzliche Soldaten – sondern durch Transportflüge mit dem Militärflieger Hercules, heißt es aus dem Heer.


Ärztemangel. Klug selbst will sich dazu zwar noch nicht äußern. Er rechnet allerdings damit, dass noch vor Weihnachten feststehen werde, in welcher Form Österreich Frankreich unterstützen wird. Möglich sei für ihn auch eine Kombination aus einem Beitrag seines Ressorts und einem Beitrag des Außenministeriums.

Die steigende Terrorgefahr, die Flüchtlingsbewegungen – all das „wird die Armeen in Zukunft vor neue Herausforderungen stellen“, meint Klug. Auch jene Österreichs: Seit einigen Monaten sind rund 1500 Soldaten an der Grenze im Assistenzeinsatz. „Und ich kann nicht abschätzen, wie lange diese Kräfte im Inland noch gebunden sind.“ Der Generalstab berechne daher, ob die zusätzlichen Aufgaben trotz des jüngsten Sparpakets auf lange Sicht umsetzbar sind. Falls nicht, will Klug mit dem Finanzminister Gespräche aufnehmen. In einem Entschließungsantrag haben ihn alle sechs Parlamentsparteien bereits dazu aufgefordert.

Apropos sparen – in einen weiteren Punkt holt die heimische Innenpolitik die Soldaten in Bosnien ein: „Es ist schwierig, Ärzte aus Österreich zu bekommen“, meint ein Soldat zum Verteidigungsminister. Das Bundesheer hat im Camp die medizinische Versorgung für die gesamte EU-Mission übernommen. Doch statt vier sind nur zwei Ärzte im Einsatz. „Es wäre eine große Hilfe, wenn jemand nachkommen würde.“ Klug hört zu und nickt ernst.

Bei diesem Besuch hat er allerdings andere Geschenke aus der Heimat mit im Gepäck – sechs Weihnachtskörbe voll mit steirischer Wurst und Speck. Das eigentliche Weihnachtsgeschenk bauten sich die österreichischen Soldaten in Bosnien aber selbst: Im ehemaligen US-Postamt errichteten sie in ihrer Freizeit eine kleine Sauna. Der Verteidigungsminister, der sie dabei finanziell unterstützt hat, eröffnet das Geschenk symbolisch. Eine Segnung der Sauna gab es vom Militärdekan gleich dazu.

Hinweis:
Die Reise nach Bosnien fand auf Einladung des Verteidigungsministeriums statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2015)

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