Flüchtlinge: Faymann gibt keine Entwarnung

Faymann will konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Flüchtlingszahlen treffen. Im Bild: das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.
Faymann will konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Flüchtlingszahlen treffen. Im Bild: das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Bundeskanzler Werner Faymann mahnt, in Europas Flüchtlingspolitik sei viel zu tun. In Österreich gelte es, Ordnung in die Unordnung zu bringen.

Wien. Rückläufig ist sie, die Zahl der Flüchtlinge, die in die EU und an Österreichs Grenze strömen. Aber dennoch – Bundeskanzler Werner Faymann kann gestern, Sonntag, keine Entwarnung aussprechen. Die Begründung des SPÖ-Vorsitzenden: Europa müsse auch das, was beschlossen worden sei, umsetzen. Denn es sei noch „eine Fülle zu tun“.

Faymann in der „Pressestunde“ des ORF-Fernsehens: „Wir haben weder die Außengrenzen gesichert, noch funktionieren die Hotspots (die geplanten Erstaufnahmezentren an den Außengrenzen; Anm.), noch funktionieren die Rückführungsregelungen.“

Nach der Einrichtung von Hotspots müsse gesichert sein, dass jene Flüchtlinge, die sich an keiner dieser Einrichtungen an den EU-Außengrenzen registrieren und in ein anderes Land der EU weiterreisen, an einen dieser Hotspots zurückgeführt werden. Von dort müsse die Verteilung innerhalb der EU erfolgen. Gleichzeitig bekräftigte er seine Forderung, die innereuropäischen Asylstandards zu vereinheitlichen. Nur so wäre eine Verteilung der Flüchtlinge EU-weit zu realisieren.

„Das geht so nicht“

Und Faymann forderte vehement Solidarität auch von den östlichen EU-Ländern ein. Es könne nicht die Lösung sein, dass Deutschland, Schweden und Österreich den Großteil der Flüchtlinge aufnehmen. „Das geht so nicht weiter“, meinte der Bundeskanzler. Um abermals mit finanziellen Sanktionen zu drohen, konkret der Kürzung von EU-Fördergeldern für jene Mitgliedsländer, die sich in der Flüchtlingsfrage „nicht solidarisch“ verhalten.

Gefragt nach einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen antwortete Faymann, es könne keine „fiktive Stopp-Taste“ geben. Es müssten vielmehr konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Flüchtlingszahlen getroffen werden. Ein Einzäunen von Österreich werde das Problem jedenfalls nicht lösen. Insbesondere der Koalitionspartner ÖVP nahm Faymanns Äußerungen positiv auf. Generalsekretär Peter McDonald interpretierte die Aussagen des Bundeskanzlers als „Schwenk“. Dieser komme zwar verspätet, sei dafür aber „umso erfreulicher“. Den Reden müssten nun jedoch auch Handlungen folgen, so McDonald weiter.

Die Volkspartei ortet beim Bundeskanzler ein schrittweises Einbekennen, dass man die Flüchtlingsströme eindämmen müsse. Wie der SPÖ-Chef betonte auch er, dass das Flüchtlingsthema nicht auf nationalstaatlicher Ebene, sondern nur gesamteuropäisch gelöst werden könne.

Scharfe Kritik an Faymanns Aussagen kam hingegen von der FPÖ: „Faymann klingt nicht wie ein österreichischer Bundeskanzler, er klingt nicht wie ein selbstbewusster SPÖ-Parteivorsitzender, er klingt wie ein ,Reserve-Eurokrat‘, wie jemand, der jetzt schon versucht, seine eigenen Schäfchen auf EU-Ebene ins Trockene zu bringen“, so Generalsekretär Herbert Kickl.

„Gesellschaft vor die Hunde“

„Vollinhaltliche Zustimmung“ erntete der Bundeskanzler von den Grünen. Der SPÖ-Chef habe in der „Pressestunde“ herausgearbeitet, dass die Herausforderung der Flüchtlingsversorgung europäisch lösbar sei, so Menschenrechtssprecherin Alev Korun.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker fordert im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle am Sonntag mehr Mitgefühl ein. „Ich glaube, dass diese Gesellschaft vor die Hunde geht, wenn wir uns von dieser eigenen Fähigkeit abschneiden“, sagte er wörtlich.

Hinsichtlich der Aufregung über islamische Kindergärten in Wien führt Bünker an, dass die Studie einen wunden Punkt angreife, „aber sie ist noch nicht verlässlich genug“. Er würde es für sinnvoll halten, wenn die religiöse Erziehung für Muslime ausschließlich durch deren offizielle Vertretung, die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), verantwortet würde. (APA/red.)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2015)

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