Van der Bellen geht „mutig“ Richtung Hofburg

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ARCHIVBILD: BUNDESPR�SIDENT - VAN DER BELLEN KANDIDIERT(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Der frühere Bundessprecher der Grünen will als „unabhängiger“ Kandidat auch Sozialdemokraten und Bürgerliche ansprechen – und hat damit gute Chancen.

Wien. Überraschung war es am Schluss keine mehr. Lange Zeit hat der frühere grüne Parteichef Alexander Van der Bellen überlegt, ob er sich eine Kandidatur als Präsidentschaftskandidat antun soll. Und lange Zeit konnte sich selbst die grüne Parteispitze nicht sicher sein, ob sich der 71-Jährige tatsächlich dafür entscheiden wird. Doch mit der Veröffentlichung seines Buchs („Die Kunst der Freiheit“) und spätestens mit der Bekanntgabe seiner Hochzeit war klar: Van der Bellen will es noch einmal wissen.

Die lange Überlegenszeit hatte einen Grund: Wie erste Umfragen zeigen, hat Alexander Van der Bellen tatsächlich eine Chance, die Hofburgwahl zu gewinnen. Und ob man sich in diesem Alter den Vollzeitjob des Bundespräsidenten antut, ist eine andere Frage, als ob man nur einen mehrmonatigen Wahlkampf bestreitet. Doch der bedächtig formulierende Wirtschaftsprofessor wirkt weit über die grüne Kernschicht hinaus. Und er ist durchaus auch in der Lage, sozialdemokratische und konservative Wähler anzusprechen.

Wie sehr, zeigt ein Twitter-Beitrag des Geschäftsführers der Grazer SPÖ, Bernhard Just, der hofft, dass eine Unterstützung für Van der Bellen im SPÖ-Bundesvorstand „wenigstens ernsthaft diskutiert wird“. Und die Neos werden Van der Bellen – wie schon Irmgard Griss – zu einem Hearing einladen (siehe Seite 3).

Anleihen bei der ÖVP NÖ

Dementsprechend ist offensichtlich auch der Wahlkampf konzipiert. Van der Bellen legt Wert darauf, nicht als Kandidat der Grünen aufzutreten. Nicht die Partei nominiert ihn, sondern ein Verein. Und seine Website erinnert vom Layout her eher an jene der niederösterreichischen Volkspartei – und überhaupt nicht an den sonst so einheitlich gestalteten Auftritt der Grünen.

Sein über Facebook verbreiteter Videoauftritt, mit dem die Kandidatur am Freitagvormittag offiziell bekannt gegeben wurde, ist betont staatsmännisch gehalten, versehen mit einfachen Botschaften, die nicht nur in einem intellektuellen Publikum Wirkung entfalten sollen. Van der Bellen äußert sich darin zu seinen Beweggründen. Er glaube an Menschenrechte und auch -pflichten. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit solle man nicht als selbstverständlich ansehen, sondern darauf achten, dass diese auch in Zukunft garantiert seien. „Ich fühle mich verpflichtet, das Meinige dazu beizutragen.“

Betitelt ist das Video, in dem der Kandidat vor dem Parlament, auf einem Markt und in einem Auwald zu sehen ist, mit der Bundeshymnen-Zeile „Mutig in die neuen Zeiten“. Auch in den SPÖ-Zitatenschatz wird gegriffen: „Lassen Sie uns ein Stück des Weges gemeinsam gehen“, so Van der Bellen, der damit einen alten Bruno-Kreisky-Slogan bemühte.

Doch bei aller offiziell deklarierten Unabhängigkeit: Die Kandidatur wird natürlich von der Partei der Grünen getragen. Der Verein Gemeinsam für Van der Bellen hat seinen Sitz in der grünen Parteizentrale am Wiener Rooseveltplatz. Vorsitzender ist Lothar Lockl, ehemaliger Kommunikationschef der Grünen, der sich mit einer Agentur selbstständig gemacht hat. Im Vorstand sitzen außerdem Robert Luschnik, einer der beiden Geschäftsführer des grünen Parlamentsklubs (die zweite ist Doris Schmidauer, nunmehr die Ehefrau von Van der Bellen), sowie Nives Šardi, die Kommunikationschefin der grünen Bundespartei.

Eine finanzielle Unterstützung der Kandidatur durch die Grünen wird es selbstverständlich auch geben, auch wenn der Verein sich um Spenden bemüht. „Das wird in den nächsten Tagen entschieden und transparent gemacht“, sagt dazu Van der Bellens Pressesprecher, Reinhard Pickl-Herk. Der ist wiederum hauptberuflich Pressesprecher der grünen Klubchefin, Eva Glawischnig.

Grüne professionalisiert

Eine Wahl Van der Bellens zum Bundespräsidenten wäre für die Grünen ein Glücksfall – wie schon einst die Wahl des politischen Quereinsteigers zum Bundessprecher. Der frühere Uni-Wien-Professor hat mit seinem sehr bedächtigen und wenig dogmatischen Stil für Einigkeit und auch für einen Professionalisierungsschub bei den einst zerstrittenen Grünen gesorgt. In seiner Amtszeit von 1997 bis 2008 ist die Partei von 4,8 auf über elf Prozent angewachsen und wurde zu einem ernsthaften Mitspieler, wenn es um Regierungsbeteiligungen ging.

Die haben dann aber letztlich nicht geklappt – auch wenn Van der Bellen 2002 in den Verhandlungen für eine schwarz-grüne Koalition schon sehr weit war. Einen seiner damaligen Verhandlungspartner könnte er jetzt im Wahlkampf wieder treffen: Andreas Khol war auf ÖVP-Seite führend beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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