Abschiebung: Die meisten bleiben

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Im Innenministerium rechnet man damit, nur zehn Prozent der Flüchtlinge abschieben zu können: aufgrund von Krieg und der Weigerung der Länder, die Flüchtlinge zurückzunehmen.

Wien. 7424 Menschen. So viele Flüchtlinge sind im Jahr 2015 (bis Ende November) aus Österreich ausgereist, weil sie hier kein Asyl bekommen haben. 1740 wurden zwangsweise in ihre Heimatländer abgeschoben, 1300 aufgrund der Dublin-Regelung in ein anderes Schengen-Land gebracht. Der Rest ging freiwillig. Im gleichen Jahr haben 90.000 Menschen in Österreich um Asyl angesucht.

Sieht man sich die Zahlen an, zeigt sich: Die Länder, in die Abschiebungen stattfinden, sind meist nicht jene, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen. Im Gespräch mit der „Presse“ schätzt das Innenministerium grob, dass nur zehn Prozent der Flüchtlinge, die 2015 um Asyl angesucht haben, auch abgeschoben werden können. „Das aktuelle Unterbringungsproblem wird sich mit Rückführungen nicht lösen. Wenn wir wollen, dass nicht so viele Leute da sind, dann wird das über andere Möglichkeiten sein müssen“, sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

So ist die Zahl der Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten kommen, sehr hoch, gleichzeitig nehmen die Heimatländer der restlichen Flüchtlinge ihre Landsleute nicht mehr zurück. Ein Überblick anhand der zehn Länder, aus denen 2015 die meisten Asylwerberanträge kamen.


Afghanistan, Syrien, Irak. 70 Prozent der rund 90.000 Asylwerber kamen 2015 aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Im Innenministerium schätzt man, dass 90 Prozent von ihnen einen Schutztitel in Form von Asyl, subsidiärem Schutz oder humanitärem Bleiberecht bekommen werden. Afghanistan, Syrien und der Irak zählen aufgrund der politischen Lage zu jenen Ländern, in die keine zwangsweisen Abschiebungen stattfinden, weil den Flüchtlingen dort Gefahr für Leib und Leben droht. Bleibt die freiwillige Heimreise. 2014 und 2015 sind zirka 200 Afghanen freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Auch in den Irak gab es Rückkehrer, heißt es aus dem Innenministerium. In Deutschland sorgt das schon länger für Diskussion. Dort will man Abschiebungen nach Afghanistan ermöglichen. Das Argument: Auch in diesem Land gebe es Zonen, die sicher seien. Auch nach Somalia (2075 Asylwerber, Platz 7) in Afrika finden übrigens aufgrund der politischen Lage keine Abschiebungen statt.


Iran. Flüchtlinge aus dem Gottesstaat machten 2015 mit 3434 Menschen die viertgrößte Gruppe aus. 2013 und 2014 lag der Iran noch auf Platz acht. 2014 wurden 80 Prozent der Asylanträge aus dem Iran positiv beschieden. Abschiebungen finden keine statt, weil der Iran die Menschen nicht zurücknimmt.

Pakistan. Auf Platz fünf der Asylwerber und beispielhaft für Probleme mit der Rückkehr. 2015 gab es zwei Charterflüge aus Österreich nach Pakistan mit abgelehnten Asylwerbern. 2014 war nur zehn Prozent Asyl gewährt worden. Im Pakistan gibt es Probleme mit den Heimreisezertifikaten. Da die meisten Flüchtlinge keinen (gültigen) Reisepass besitzen, muss das Heimatland ein Zertifikat ausstellen, damit seine Landsleute wieder einreisen können. Viele Länder weigern sich aber, das zu tun. Mit Pakistan hatte die EU ein Rückkehrabkommen ausgehandelt (mit dem Iran beispielsweise nicht). Dieses wurde im Vorjahr ausgesetzt. AuchNigeria (Platz zehn bei den Asylwerbern) stellt nur teilweise Heimreisezertifikate aus. 2015 gab es drei Abschiebeflüge dorthin. Nach Marokko und Algerien (nicht unter den Top Ten der Asylwerber) gar keine. Hier verhandelt die EU gerade ein Rückreiseabkommen.


Kosovo.
Das Land auf dem Balkan (Platz sechs) zählt in Österreich zu den sicheren Herkunftsländern, weswegen es dorthin auch Abschiebungen (13 Flüge im Vorjahr) gibt. Zusätzlich kehrte ein Großteil der Flüchtlinge freiwillig zurück. Abschiebungen in den Kosovo sind kein Problem, weil es ein Rückkehrabkommen gibt.


Tschetschenien. 1700 Menschen kamen 2015 nach Österreich (Platz neun bei den Asylwerbern). Eine Chartermaschine ging zurück. Mit der Russischen Föderation gibt es ein Rückreiseübereinkommen, ebenso eines mit mit Georgien (ein Charterflug mit abgelehnten Asylwerbern im Vorjahr), Bosnien, Mazedonien und der Ukraine.


Staatenlose Flüchtlinge
können nur im Sinne des Dubliner Abkommens zurückgeschoben werden. 2015 wurden insgesamt 1300 Dublin-Fälle in ein anderes Schengen-Land (fünf Busse nach Polen, vier Flüge nach Bulgarien) gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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