Bürgermeister klagen über Trägheit des Bundes

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Die Bürgermeister der großen Städte fordern mehr Geld, bessere Koordination, konkrete Unterstützung bei Integrationsmaßnahmen und endlich Handeln statt „Wortklauberei“ und „akademischer Debatten“.

Wien. Vor dem Asylgipfel, der morgen, Mittwoch, in Wien stattfinden wird, rufen die Bürgermeister der größten Städte des Landes den Bund gemeinsam zur Ordnung: Die Städte würden den Großteil der Last in der Flüchtlingsfrage tragen und bräuchten konkrete Unterstützung – sowohl finanziell als auch bei der Koordination.

Wiens Sozialstadträtin, Sonja Wehsely, die den erkrankten Wiener Bürgermeister und Städtebund-Chef, Michael Häupl, vertrat, sagt, statt „akademischer Diskussionen“ über eine Obergrenze sei beim Asylgipfel zwischen Bund und Ländern ein Integrationsplan gefragt, der etwa Qualifikations-Checks durch das AMS, verpflichtende Deutschkurse „vom ersten Tag an“ für Flüchtlinge mit guten Aussichten auf Asyl beinhalten müsse. Der zuletzt viel diskutierten Obergrenze erteilte sie eine Absage. Der Fokus müsse auf der Verteilung in Österreich liegen, so Wehsely, und verwies darauf, dass jede zweite Gemeinde noch keine Flüchtlinge aufgenommen habe. Der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl, einziger ÖVP-Vertreter am Podium, wies die Frage nach der Obergrenze als Einziger nicht ab: „Man muss darüber reden, wie groß die Möglichkeiten sind. Wir müssen nach Europa melden, wie viele wir aufnehmen können, ohne dass es die Gesellschaft zerreißt“, sagt Nagl.

Neben den großen Lösungen fordert Nagl auch finanzielle Unterstützung: Er spricht von fünf Euro pro Tag und Asylwerber, um Deutschkurse, Werte- und Rechtsschulungen finanzieren zu können. Auch Salzburgs Bürgermeister, Heinz Schaden (SPÖ), spricht die Kosten an: Die Betreuung der 300.000 Transitflüchtlinge, die in den vergangenen vier Monaten durch Salzburg gereist sind, hätte die Stadt etwa eine Million Euro gekostet. „Ich habe mehrmals an das Innenministerium geschrieben, wohin ich die Rechnungen schicken kann. Antwort habe ich keine bekommen“, sagt Schaden, und rechnet ohnehin damit, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Die Städte würden alleingelassen, so Schaden, der sich zunehmend in einer Situation „zwischen Hammer und Amboss“ sieht: Während Deutschland vermehrt Migranten aus dem Maghreb zurückschickt, fehle dem Bund „ein großer Plan“.

„Frustrierende Wortklauberei“

Überhaupt kritisieren die Bürgermeister die Kommunikation mit dem Bund: Innsbrucks Bürgermeisterin, Christine Oppitz-Plörer (Bürgerliste Für Innsbruck), fordert zusätzlich zu Flüchtlingskoordinator Christian Konrad einen „Regierungskoordinator“: Die derzeit über viele Ressorts zersplitterten Zuständigkeiten würden bei den freiwilligen Helfern zunehmend für Frustration sorgen. Oppitz-Plörer mahnt, endlich vom Diskutieren zum Handeln zu kommen: „Diese Begriffsdebatten frustrieren die Bevölkerung ungemein. Diese Wortklauberei leistet keinerlei Beitrag zu einer Lösung.“

Den Frust der Bevölkerung sprechen auch Nagl und Wehsely an: Nagl fordert, dass bei Asylwerbern, die straffällig werden, die Verfahren sofort abgeschlossen und die Migranten abgeschoben werden, „das versteht niemand, dass so jemand bleiben kann, das sorgt für Riesenärger“. Auch Wehsely spricht die fehlenden Abschiebungen abgelehnter Asylwerber an, und der Linzer Bürgermeister, Klaus Luger (SPÖ), fordert vom Innenministerium schnellere Verfahren: „Es geht um mehr als die Bewältigung des Flüchtlingsstroms, es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, so Luger. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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