Verschärfung: Die Schranken für Flüchtlinge

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Beim heutigen Asylgipfel in Wien soll die Zahl der Asylwerber in Österreich auf 30.000 bis 40.000 jährlich reduziert werden. Im Vorfeld haben ÖVP und CSU ein gemeinsames Papier vorgelegt - um Druck zu machen.

Wien. Es ist quasi ein offizielles Bekenntnis der ÖVP zur CSU-Linie. Gemeinsam haben ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka und sein CSU-Pendant, Thomas Kreuzer, gestern ein Positionspapier vorgelegt, das Druck auf die EU machen soll. Und auch auf die CDU. Beide fordern darin Obergrenzen bei den Flüchtlingszahlen, Kontrollen an den jeweiligen Staatsgrenzen, deren Abstimmung zwischen Österreich und Deutschland und die Wiederherstellung der EU-Außengrenzen.

In Österreich haben sich Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl aufseiten der SPÖ, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sowie Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP) auf eine Obergrenze geeinigt: Sie solle, so berichtet der „Kurier“, bei 30.000 bis 40.000 Flüchtlingen jährlich liegen – insgesamt 120.000 Flüchtlinge binnen der nächsten drei oder vier Jahre. Heute werden diese Punkte beim Asylgipfel in Wien debattiert. „Die Presse“ hat sich diese genauer angesehen.

1) Wäre es rechtlich möglich, eine zahlenmäßige Obergrenze bei Flüchtlingen einzuführen?

Weder im Völkerrecht noch im EU-Recht sind Obergrenzen vorgesehen. Aber auch im Völkerrecht gelte der Grundsatz „Ultra posse nemo obligatur“ (Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet), sagt Peter Hilpold, Professor der Uni Innsbruck. Bei 100.000 Flüchtlingen könne man von einer starken Belastung ausgehen. Auch dürfe man den Flüchtlingsbegriff begrenzen. Gerade bei Leuten, die wegen wirtschaftlicher Bedrohungen fliehen, könne man eine Grenze setzen. Aber: „Im Kernbereich der Flüchtlingskonvention (subjektive Verfolgung, insbesondere aus politischen Gründen) darf es keine Obergrenzen geben“, sagt Hilpold.

2) Welche Flüchtlinge werden in Zukunft an der Einreise nach Österreich gehindert?

Am Mittwoch startet der Testbetrieb für verschärfte Grenzkontrollen in Spielfeld. Dann sollen Flüchtlinge nur mehr über diesen Grenzübergang einreisen dürfen. Der Einreisevorgang sieht eine Gepäcks- und Personenkontrolle vor, danach findet die Überprüfung mit Fingerabdruck und Passkontrolle statt. Dabei werden Familien von Alleinreisenden getrennt behandelt. Besteht bei einer Person ein Sicherheitsrisiko, kann die Identität nicht einwandfrei festgestellt werden, gibt es keine Registrierungsdaten aus Slowenien oder hat der Flüchtlinge falsche Angaben bei seiner Herkunft gemacht, wird er nach Slowenien zurückgeschickt. „Die Flüchtlinge werden dann direkt an die Kollegen in Slowenien übergeben“, so der steirische Polizeisprecher Fritz Grundnig. Grundsätzlich sollen nur noch Flüchtlinge einreisen, die in Deutschland oder in Österreich um Asyl ansuchen wollen. Allerdings: Korrigiert ein zurückgewiesener Flüchtling seine Angaben (indem er sagt, er wolle doch in Österreich um Asyl ansuchen), darf er wieder einreisen.

3) Kann Flüchtlingen die Mindestsicherung gekürzt werden?

Wenn bestimmte Voraussetzungen, etwa der verpflichtende Besuch eines Deutschkurses, nicht erfüllt werden, ist das möglich. Generell haben Asylberechtigte Anspruch auf Mindestsicherung. Übereinstimmung besteht zwischen SPÖ und ÖVP, einen Teil der Mindestsicherung in Sachleistungen auszuzahlen. Differenzen gibt es in der Frage, weniger Mindestsicherung zu zahlen und Österreich somit „unattraktiver“ zu machen: Für WU-Professor Franz Marhold sei es nicht ausgeschlossen, Sozialhilfe an mehrere Jahre legalen Aufenthalts in Österreich zu knüpfen. Es seien aber lebenserhaltende Leistungen zu gewähren. Das Sozialressort hält eine Schlechterstellung für unmöglich.

4) Wie will die EU den Schutz der Außengrenze in den Griff bekommen?

Derzeit herrscht Chaos. Und so hat die EU-Kommission im Dezember einen Plan für einen EU-Grenzschutz vorgelegt, der in Krisensituationen den Einsatz einer Eingreiftruppe vorsieht: Das soll auch gegen den Willen des betreffenden Mitgliedstaats möglich sein. Doch der Vorschlag dürfte verwässert werden – mehrere Regierungen sind dagegen. Auch die Hotspots sind großteils noch in der Planungsphase – von elf Zentren sind gerade einmal drei operativ tätig. Laut Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sollen in vier Wochen alle Hotspots einsatzbereit sein. (oli/ett/aich/win/aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)

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