Grenzschließungen: "Die Orbánisierung der ÖVP"

(c) APA/Armin Weigel
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Europaabgeordnete reiben sich an die Plänen von Außenminister Kurz, ÖVP-Delegationschef Karas verteidigt ihn halbherzig.

Brüssel/Straßburg. Die Aussagen von Außenminister Sebastian Kurz zu möglichen Grenzschließungen sind am Dienstag von mehreren Seiten kritisiert worden. Der SPÖ-Europaabgeordnete Eugen Freund sagte, offenbar müsse Kurz nationale Politik betreiben, weil sich die Probleme europäisch nicht lösen lassen. Aber „ich habe von ihm nicht gehört, welche Versuche er unternommen hat, das Problem europäisch zu lösen“.

Die grüne Delegationsleiterin, Ulrike Lunacek, rieb sich ebenfalls an Kurz. Wenn erklärt werde, dass auch Österreich seine Grenzen zumachen solle, „ist das eine Spirale der Schikane, die von einem angeblich proeuropäischen Außenminister in Gang gesetzt wird“. Hier mache Kurz „genau die Orbánisierung der ÖVP“. Dies sei abzulehnen.

Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, unterstützt den Vorschlag seines Parteifreundes zwar – aber mit Vorbehalten. Der Vorstoß sei ein „nationaler Zwischenschritt“ auf dem Weg zu einer gemeinsamen EU-Lösung. Es handle sich um einen „Aufschrei“ von Kurz, sagte Karas. Er habe immer wieder darauf hingewiesen, dass es europäische Lösungen geben muss. „Ich hoffe, dass, bevor derartige nationale Zwischenschritte gesetzt werden, die Mehrheit in der EU so abgesichert ist, dass die Europäische Union stärker ist als die nationalen Zwischenschritte. Ich bedaure zutiefst, dass es derzeit scheinbar zu einem Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten kommt. Das ist nicht in unserem Sinn“, so Karas.

Auch der Vizepräsident des EU-Parlaments, der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, fand kritische Worte. „Ich bin etwas ärgerlich, wenn ich den österreichischen Außenminister diese Dinge da sagen höre, man wolle jetzt die nationalen Grenzen dichtmachen“, sagte Lambsdorff. „Man merkt doch, dass die einzelnen Mitgliedstaaten allein dieser Sache nicht mehr Herr werden.“

Unterstützung erhielt Kurz dagegen von der FPÖ. Delegationsleiter Harald Vilimsky tritt angesichts der Flüchtlingskrise für eine „Sistierung“ von Schengen ein. Derzeit werde das europäische Regelwerk hinten und vorn gebrochen, „nichts gilt mehr“. Einen Schaden für die Wirtschaft bei einer Abschaffung von Schengen und damit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU sieht Vilimsky nicht. „Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin viel in den letzten Wochen herumgereist und war selbst täglich damit konfrontiert.“ (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)

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