Obergrenze: Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik

Der kalte Weg nach Europa
Der kalte Weg nach Europa(c) Reuters
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Die Umsetzung ist der Regierung zwar noch nicht klar, aber sie hat eine Maximalzahl an Flüchtlingen festgesetzt, die in Österreich um Asyl ansuchen dürfen: Bis 2019 sind es 127.500 Menschen.

Wien. Notlösung. Plan B. Ein Richtwert. Kanzler Werner Faymann hatte sich am Mittwoch einige rhetorische Ausflüchte zurechtgelegt, um das Wort ja nicht in den Mund nehmen zu müssen. Das änderte aber nichts an der Tatsache: Die Regierung hat beim gestrigen Asylgipfel eine Obergrenze für Flüchtlinge beschlossen. Und das, obwohl sich die SPÖ so lang dagegen gewehrt hat. Bund, Länder, Städte und Gemeinden segneten bei ihrem Treffen im Bundeskanzleramt gemeinsam ein Maßnahmenpaket für eine strengere Asylpolitik ab. Wie die beschlossene Maximalzahl und andere geplante Verschärfungen in der Praxis exekutiert werden sollen, ist allerdings noch offen.

Obergrenze

2015 hatten rund 90.000 Menschen um Asyl angesucht, bis Ende 2019 sollen es insgesamt nur noch 127.500 Menschen sein, inklusive jener Menschen, die über den Familiennachzug nach Österreich gelangen. SPÖ und ÖVP orientieren sich an Österreichs Bevölkerung: Der Anteil an Asylwerbern soll in Summe nicht mehr als 1,5 Prozent davon ausmachen. Allerdings nicht in jedem Jahr, sondern aufgeteilt auf vier Jahre. Für 2016 bedeutet es: Nur 37.500 Menschen dürfen einreisen. 2017 werden es wiederum 35.000 Asylwerber sein. 2018 sinkt die Zahl auf 30.000, ehe 2019 der Endwert von 25.000 erreicht werden soll. Das bedeutet allerdings nicht, dass so viele Menschen langfristig auch tatsächlich in Österreich bleiben: Die Obergrenze bezieht sich auf Asylwerber – nicht anerkannte Flüchtlinge. Haben sie laut Behörden keinen Anspruch auf Schutz, müssen sie auch weiterhin das Land verlassen.

Gutachten

Was passiert mit dem 37.501. Menschen, der in Österreich um Asyl ansuchen will? Mit welchen Maßnahmen wird durchgesetzt, dass nicht mehr Menschen in das Land gelangen? Ist die Obergrenze rechtlich überhaupt durchführbar? All diese Punkte wurden am Mittwoch nicht geklärt. „Das ist jetzt eine politische Festlegung“, meinte Wilfried Haslauer (ÖVP), Landeshauptmann von Salzburg und derzeitiger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Die „administrative Umsetzung“ solle erst folgen. Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner konnte diese „Wenn-wenn-wenn“-Fragen, wie er es nannte, nicht beantworten. Zumindest noch nicht: Ein Gutachten soll bis Februar all diese offenen Punkte klären – angefragt wurden dem Vernehmen nach der Europarechtler Walter Obwexer und der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Viel Zeit bleibt ihnen nicht: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geht davon aus, dass die Obergrenze noch vor dem Sommer erreicht wird.

Grenzkontrollen

Eine Maßnahme ist zumindest bereits umgesetzt: Im steirischen Spielfeld ist seit gestern, Mittwoch, der neue Grenzübergang in Betrieb – auch wenn es nur ein Testbetrieb ist. Ab sofort soll jeder Schutzsuchende eine Gepäcks- und Personenkontrolle durchlaufen, die Einreise in Form von Fotos und Fingerabdruckscans dokumentiert werden. Dolmetscher prüfen außerdem die Herkunftsangaben. Einlass erhalten ohnehin nur Flüchtlinge, die entweder in Österreich bleiben oder nach Deutschland reisen wollen.

Sozialleistungen

Seit Monaten plädiert die ÖVP dafür, Österreich für Flüchtlinge unattraktiver zu machen. Für die Volkspartei bedeutet dies: die Sozialleistungen senken. Änderung wünscht sich die Partei etwa bei der Mindestsicherung, die anerkannten Flüchtlingen genauso wie Österreichern zusteht: Der schwarze Part der Regierung will nur die Hälfte des Betrags in Form von Geld überweisen. Der Rest soll als Sachleistung (also Gutscheine etc.) den Hilfsbedürftigen zugutekommen. Die SPÖ ist hier zwar skeptisch, will aber mit dem Koalitionspartner verhandeln. Geeinigt hat man sich allerdings in einem anderen Punkt: Die Mindestsicherung wird in ihrer gesamten Höhe nur überwiesen, wenn sich die Flüchtlinge integrationswillig zeigen. Das bedeutet für die Regierung vor allem, dass jene Deutschkurse besuchen. Weigert sich ein Asylberechtigter, die Sprache zu erlernen, soll der Sozialhilfebetrag sinken. Aber auch hier sind Details, vor allem, was die praktische Umsetzung betrifft, offen.

Asyl auf Zeit

Am kommenden Dienstag soll ein weiteres Paket abgesegnet werden: Behörden werden nach drei bzw. fünf Jahren Aufenthalt prüfen, ob der Asylgrund eines jeden einzelnen Flüchtlings noch aufrecht ist. Auch der Familiennachzug wird beschränkt: Asylberechtigte haben drei Monate Zeit, einen Antrag für ihre Angehörigen zu stellen. Nach dieser Frist ist der Nachzug an strenge Kriterien gebunden. Subsidiär Schutzberechtigte (die keinen Asylgrund haben, aber nicht abgeschoben werden) müssen drei Jahre warten.

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