Flüchtlinge: Häupls Doppelspiel mit Obergrenze und Richtwert

Michael Häupl.
Michael Häupl.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Auf den ersten Blick geht ein Riss durch die mächtige Wiener SPÖ. Auf den zweiten Blick ist das Kalkül.

Wien. Es ist eine erbitterte Auseinandersetzung innerhalb der rot-schwarzen Bundesregierung, ob beim Asylgipfel am Mittwoch nun eine „Obergrenze“, oder doch nur ein „Richtwert“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen beschlossen wurde. Und diese Auseinandersetzung, dieser Riss, zieht sich durch alle Bundesländer. Und überraschenderweise auch durch die mächtigste rote Landespartei, die Wiener SPÖ. Zumindest auf den ersten Blick.

Obwohl auch Häupl die Vereinbarung am Mittwochabend mit der rot-schwarzen Bundesregierung präsentierte, distanzierten sich Teile der Wiener SPÖ daraufhin vehement davon. Finanzstadträtin Renate Brauner, eine der engsten Vertrauten Häupls, hatte die Vereinbarung nicht nur als falsch, sondern auch als rechtswidrig bezeichnet. Sozialstadträtin Sonja Wehsely und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger schlossen postwendend an, während Wohnbaustadtrat Michael Ludwig den Bürgermeister verteidigte: „Ich stehe auf der Linie des Bürgermeisters. Er ist so populär, weil er Haltung und Realitätssinn verbindet.“ Der Asylgipfel sei ein wichtiges Signal an die Herkunftsländer: „Wir können Menschen nicht berücksichtigen, die sich wirtschaftlich verändern wollen.“ Zu der Kritik von Wehsely und Brauner meinte der Wohnbaustadtrat: Die Thematik werde in der für Montag und Dienstag anberaumten Vorstandsklausur der Wiener SPÖ besprochen. Häupls Parteimanager, Georg Niedermühlbichler, erklärte postwendend, es gebe keinen Streit innerhalb der Wiener SPÖ und schon gar nicht Kritik an Häupl: „Wir sind nie von unserer Linie abgekommen, das Vorgehen der Stadträtinnen war abgesprochen“, versichert er. Die mächtigste rote Landespartei – derart zerstritten, dass Stadträte nun offen Kritik an dem bisher sakrosankten Michael Häupl üben?

Nur auf den ersten Blick. Die Genesis dieser Entwicklung ist in SPÖ-Kreisen zu hören. Häupl musste den Asylgipfel Mittwochabend mittragen – ansonsten wäre er Werner Faymann in den Rücken gefallen, was diesen gegenüber der ÖVP (in dieser heiklen Causa) massiv geschwächt hätte. Allerdings wollte die SPÖ immer von einem Richtwert sprechen, hat es aber verabsäumt, schnell genug auf die (von der ÖVP verbreitete) Diktion „Obergrenze“ zu reagieren, die sich wörtlich auch nicht im Papier findet.

Häupl konnte dem Vernehmen nach nur mehr kleinere Änderungen in die Vereinbarung reklamieren – beispielsweise den Punkt vier („Man wird es rechtlich prüfen“). Dieser kleine Passus ist aber nun die ganze Hoffnung der Wiener SPÖ – man hofft, dass eine Obergrenze rechtlich nicht haltbar ist, und bisher sprechen sich die meisten Juristen in diese Richtung aus. Mit diesem Wissen im Hinterkopf trug Häupl widerwillig den Pakt mit, gab seinen Stadträtinnen aber gleichzeitig grünes Licht, die bisherige Haltung der Wiener SPÖ – gegen Obergrenzen zu rebellieren – weiter zu stärken. Mit dieser Doppelstrategie sei man Faymann nicht in den Rücken gefallen und hätte gleichzeitig den „Wiener Weg“, also den Kampf für Menschlichkeit, verteidigt, ist zu hören.

Große Vorbehalte in Ländern

In den anderen SPÖ-Landesparteien wird die von der Bundesregierung vereinbarte Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und der Sanktus von Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann großteils infrage gestellt. Bei den Genossen gibt es massive Zweifel, ob ein Limit von 37.500 Asylwerbern heuer zu halten ist.

Oberösterreichs SPÖ ist „skeptisch“, dass sich diese durchsetzen lässt. Ähnlich die Haltung des steirischen SPÖ-Chefs, Michael Schickhofer. Er bezweifelt stark, dass die Obergrenze rechtlich halten wird. Die Steiermark werde sich auf größere Flüchtlingszahlen einstellen müsse. Vorarlbergs SPÖ hält sie für eine „Augenauswischerei“, für Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl ist die Obergrenze schlicht „Unfug“, weil „uns die Realität schneller einholen wird, als wir uns das denken“. Der Tiroler SPÖ-Chef Ingo Mayr kann mit der Obergrenze „leben“, hat aber „keine Freude“ damit.

Niederösterreichs SPÖ-Landesorganisation unterstützt die Vereinbarung, betont aber ausdrücklich, dass es sich, wie es auch Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann formuliert hat, um einen Richtwert handelt. Man könne aber nicht „alle Menschen in unserem Land aufnehmen, die ihre Lebenssituation verbessern wollen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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