Asylgrenze: Die Regierung hofft auf Abschreckung

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An den Konsequenzen der von Österreichs Regierung paktierten Obergrenze für Flüchtlinge scheiden sich die Geister. Skepsis über die Durchsetzbarkeit überwiegt, Abschreckung ist erwünscht.

Wien. Mit dem Beschluss einer Obergrenze, heuer maximal 37.500 und bis 2019 maximal 127.500 Asylwerber aufzunehmen, hat Österreichs Regierung international für Aufsehen gesorgt. Am Donnerstag meldeten selbst mehrere SPÖ-Landesparteien Einwände an, weil sie nicht an die Durchsetzbarkeit der Obergrenze und der Reduktion der Flüchtlingszahlen glauben. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ist damit stark in Bedrängnis geraten, der Koalitionspartner ÖVP pocht auf die Einhaltung des Limits. Das von der Regierung angekündigte Gutachten über die Umsetzbarkeit und Rechtmäßigkeit der Beschränkung soll bis Mitte, Ende März vorliegen. Was die Auswirkungen betrifft, gibt es unterschiedliche Szenarien.

► Härte. Ist die Zahl der jährlich zulässigen Asylwerber überschritten, soll niemand mehr über die Grenze kommen dürfen, der in Österreich Asyl will. Punkt. Die Hoffnung der Regierung: Allein die Ankündigung wird Flüchtlinge davon abhalten, Österreich als Zielland auszuwählen. Damit hätte man, indem Härte demonstriert wird, das Ziel erreicht: Flüchtlinge würden in anderen Staaten ihre Anträge stellen, Österreich wäre entlastet. Das Szenario ist freilich rechtlich umstritten (s. S. 2). Auch funktioniert der Plan nur, wenn es gelingt, die Grenze tatsächlich von Flüchtlingen abzuschotten. Wer einmal im Land ist, hat jedenfalls das Recht, hierzulande Asyl zu beantragen. Die ÖVP erwägt allerdings auch, Wartezonen an der Grenze einzuführen: Flüchtlinge, deren Asylanträge zwar angenommen, aber nicht bearbeitet werden, könnten dort aufgehalten werden.

► Druck auf EU. Die Änderung der österreichischen Flüchtlingspolitik könnte sich als Vorteil erweisen, wenn sie dazu beiträgt, die EU wieder zusammenzuschweißen. Mitte Februar beraten die Staats- und Regierungschefs erneut über gemeinsame Lösungen. Das Vorgehen Österreichs wird dabei ebenso Thema sein, wie die Auflösungserscheinungen des Schengen-Abkommens. Gelingt ein gemeinsames Grenzmanagement, schafft es der EU-Rat, mehr Geld für die Hilfe in den Herkunftsregionen aufzustellen, wird der Flüchtlingsstrom durch eine strenge Auswahl bereits an der Außengrenze reduziert und endlich eine gerechte Aufteilung erreicht, wäre die Krise gelöst. Österreich könnte in diesem Fall die Obergrenze mit großer Wahrscheinlichkeit einhalten.

► Signalwirkung. In einem sind sich SPÖ und ÖVP einig: Mit der Entscheidung, heuer maximal 37.500 Flüchtlinge aufzunehmen, wird ein Signal nach Brüssel und an die anderen EU-Mitgliedstaaten gesandt, um die EU aufzurütteln und auf die Dramatik der Lage hinzuweisen. Darüber hinaus rechnet die Bundesregierung mit zwei weiteren Auswirkungen: Die Nachricht über die erschwerten Zugangshürden an Österreichs Grenzen soll in den Ursprungsländern der Flüchtlingswellen Schutzsuchende von vornherein abschrecken. Aber auch in Deutschland, das im Vorjahr mit Abstand die meisten Asylwerber aufgenommen hat, steigt der politische Druck auf Kanzlerin Angela Merkel, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen. Außerdem wird eine Art Dominoeffekt erwartet: Andere Staaten auf den Flüchtlingsrouten (Serbien und Mazedonien haben dies schon getan) setzen zur Abschreckung ebenfalls auf höhere Hürden: Durch Slowenien dürfen künftig nur noch Flüchtlinge reisen, die Asyl in Österreich oder Deutschland beantragen wollen.

► Zeitgewinn. Mit der politischen Festlegung einer Obergrenze, eines Richtwerts verschafft sich die Bundesregierung vorerst zeitlich Luft. Denn allein bis das Gutachten von Völkerrechtsexperten vorliegt, wie und ob das Limit überhaupt rechtlich umsetzbar ist, könnte es bis zu zwei Monate dauern. In dieser Zeit wird sich herausstellen, wie stark der Flüchtlingsstrom tatsächlich ist, wie weit Vorkehrungen der EU zur besseren Sicherung der Außengrenzen sowie zur Registrierung und Abweisung von Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, gediehen sind und wie diese gegebenenfalls wirken. Innerösterreich bleibt damit Zeit, andere Beschränkungen vorzubereiten, etwa den Ausbau des Grenzschutzes, mehr Abschiebungen.

Weitere Infos: www.diepresse.com/asyl

Auf einen Blick

Asylobergrenze. Nach der Einigung von Bundesregierung, Landeshauptleuten, Städte- und Gemeindevertretern auf jährliche Obergrenzen für die Aufnahme von Asylwerbern in Österreich soll bis Mitte, Ende März in einem Gutachten die Umsetzbarkeit geprüft werden. Den Auftrag dazu erteilen der Verfassungsdienst des Kanzleramts und das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums. Politisch gibt es allerdings schon jetzt in der SPÖ erhebliche Bedenken, dass eine Obergrenze – heuer liegt sie bei 37.500 Asylwerbern – tatsächlich eingehalten werden kann. Die ÖVP rückt von der Vereinbarung allerdings nicht mehr ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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