"Richtwert" vs. "Obergrenze": Koalition streitet weiter

Archivbild: Michael Häupl (links) und Werner Faymann
Archivbild: Michael Häupl (links) und Werner FaymannAPA/GEORG HOCHMUTH
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Für die ÖVP rechnet Finanzminister Schelling vor, dass eine Obergrenze auch aus finanziellen Gründen nötig sei. Für Wiens SPÖ-Bürgermeister Häupl geht es allerdings weiterhin um einen "Richtwert". Obergrenzen seien "inhuman und verfassungswidrig".

Die Koalition streitet weiter über die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels und darüber, wie die Zahl von 37.500 Asylanträgen für heuer zu interpretieren ist. Bundeskanzler Werner Faymann und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (beide SPÖ) lehnten den Begriff Obergrenze neuerlich ab und beharrten auf einem "Richtwert". Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) pochte hingegen auf der Einhaltung der Zahl.

In der "Kronen-Zeitung" und in "Österreich" betont Häupl, dass in dem vereinbarten Papier nirgendwo der Begriff Obergrenze stehe. "Das ist reine ÖVP-Propaganda. Wir haben uns nicht auf eine Obergrenze geeinigt", sagt der Bürgermeister in "Österreich." Und in der "Krone" ergänzt er: "Das ist unser Richtwert. Obergrenzen halte ich für inhuman und verfassungswidrig."

So sieht das auch Faymann: "Da steht Richtwert", unterstreicht er in der "Krone". Gleichzeitig verweist der Bundeskanzler aber auch darauf, dass Österreich nicht mehr Flüchtlinge als diese vereinbarte Zahl aufnehmen werde. Der 37.501 Flüchtling "könnte zum Beispiel in ein Aufnahmezentrum an der EU-Außengrenze gebracht und von dort in ein anderes EU-Land verteilt werden. Das heißt dann: Auch der 37.501 Mensch kann Asyl beantragen, aber nicht mehr bei uns."

Kurz: "Unschöne Szenen" an Grenze möglich

Kurz bekräftigt in "Österreich", dass Österreich auch bei Kriegsflüchtlingen Grenzen setzen müsse. Auch diese würden durch zahlreiche sichere Länder durchziehen und "am Ende des Tages aus ökonomischen Gründen ihren Asylantrag in Österreich, Deutschland oder Schweden stellen". Wenn die Obergrenze erreicht sei, könne Österreich "selbstverständlich den Flüchtling an der Grenze zurückweisen", weil er ja etwa in Slowenien in einem sicheren Land gewesen sei. Dass solche Zurückweisungen dann in großen Stil passieren "kann leicht sein". Und Kurz meint auch, dass es dann "zu unschönen Szenen" kommen könnte, wenn Einzelne versuchen, gewaltsam gegen Polizei und Bundesheer vorzugehen.

Der steirische Vize-Polizeichef Manfred Komericky betont dazu im "Kurier", dass die Polizei sich bei der Wahl der eingesetzten Mittel nach der Verhältnismäßigkeit richten müsse. Aus seiner Sicht "wäre der Einsatz von Wasserwerfern bei der derzeitigen Rechtslage ein eher starkes Signal und nahezu Ultima Ratio.

Finanzminister Hans Jörg Schelling bekräftigt in der "Tiroler Tageszeitung", dass eine Obergrenze auch aus finanziellen Gründen nötig sei. Jeder Flüchtling koste die öffentliche Hand im Jahr etwa 11.000 Euro, das habe im Vorjahr bei über 90.000 Flüchtlingen gut eine Milliarde Euro ausgemacht. Wenn sich EU-Länder als Beihilfenempfänger weiter gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren, müssten die Kosten über die EU-Töpfe abgewickelt werden. Und dann bliebe eben entsprechend weniger an Förderung für die betreffenden Länder.

Kurz unterstützt in dem "Österreich"-Interview auch die Linie von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die Griechenland mit einem Ausschluss aus dem Schengen-Raum gedroht hat. "Ja, es gibt Diskussionen darüber, wie mit Griechenland weiter zu verfahren ist, wenn es die EU-Hilfe zum Schutz seiner Außengrenze weiter nicht annimmt", sagte der Außenminister.

FPÖ mit Sechs-Punkte-Plan 

Die FPÖ verlangt unterdessen eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen für straffällig gewordene Asylwerber. In der "Krone" legt Vize-Parteichef Johann Gudenus dazu einen Sechs-Punkte-Plan vor: Er sieht eine sofortige Verhaftung von tatverdächtigen Asylwerbern vor, einen Stopp der Auszahlung der Mindestsicherung, eine Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, die unverzügliche Abschiebung nach Verbüßung einer Haftstrafe, Aberkennung des internationalen Schutzes und eine Straftat als Asylwerber soll als Erschwernisgrund im Strafrecht aufgenommen werden.

(APA)

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