Asylwerber: Die vielen Hürden auf dem Weg zur Obergrenze

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Das zentrale juristische Argument, um die Zahl der Asylwerber zu begrenzen, ist die Überlastung des Staats. Aber lässt sich diese belegen? Der Regierungsplan steht vor einigen rechtlichen Hürden.

Wien. „Es kann nicht sein, dass am Ende des Tages die einzige juristische Möglichkeit die endlose Aufnahme von Flüchtlingen in Österreich ist“, sagte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag bei einer Veranstaltung des Management-Clubs in Wien. Er verdeutlichte damit, dass die Regierung die Zahl der Asylwerber begrenzen will. Doch für die geplanten Maßnahmen gibt es tatsächlich einige Hürden, sind die Rechte für Flüchtlinge doch auch durch EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt. Manche rechtlichen Hürden scheinen überwindbar, manche nicht – und in einigen Bereichen betritt man juristisches Neuland.

1 Eine Obergrenze, ab der kein Antrag mehr angenommen wird, ist rechtlich nicht möglich.

Eine absolute Obergrenze kann es nicht geben. Das dürfte auch in dem Gutachten stehen, dass die Regierung bei den Jus-Professoren Bernd-Christian Funk und Walter Obwexer am Montag in Auftrag gegeben hat. Eine völlige Schließung der Grenze nach Erreichen der für heuer angepeilten zusätzlichen 37.500 Asylwerber sei rechtswidrig, betont Obwexer. Ob die Zahl nun Richtwert (SPÖ) oder Obergrenze (ÖVP) sein soll – darüber ist sich auch die Regierung noch nicht ganz eins.

2 Man kann Asylgründe enger definieren. Aber bestimmte Asylwerber muss man aufnehmen.

Möglicherweise kann man Asylgründe wieder begrenzen. So verweist der Völkerrechtsprofessor Peter Hilpold darauf, dass „der Flüchtlingsbegriff in den letzten Jahren eine starke inhaltliche Ausweitung erfahren hat“.

Laut der Genfer Konvention ist etwa Krieg an sich kein Asylgrund, wenn nicht zusätzlich eine Verfolgung besteht. Auch wirtschaftliche Not ist kein Asylgrund, es sei denn, sie resultiert aus einer Verfolgung. Allerdings: Wer etwa wegen seiner politischen Einstellung persönlich politisch verfolgt wird, müsse immer Asyl bekommen, meint Hilpold.

3 Man kann schwer verhindern, dass Menschen weiterhin Asylanträge in Österreich stellen.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka betont, dass man die Grenze zu sichern habe, wenn die Obergrenze erreicht sei. Zumal die Asylwerber ohnedies nur aus sicheren Ländern nach Österreich kommen könnten. Kein Antrag – kein Asylrecht, so der Plan. Eine Ausnahme müsste es demnach nur geben, wenn es jemand doch nach Österreich schafft. In der Debatte wird hier gern auf das Beispiel eines Flüchtlings verwiesen, der mit dem Fallschirm über Österreich abspringt.

In der Realität bedeutsamer dürfte aber die Frage sein, ob man einen Asylantrag erst im Land oder schon an der Grenze stellen darf. Letzteres reiche, meint etwa Stefan Salomon von der Universität Graz. Von der ÖVP erwogen wurde wiederum die Einrichtung von Wartezonen an der Grenze, an denen man Anträge stellen dürfe. Diese würden aber erst bearbeitet, wenn wieder ein Platz frei sei.

Das Problem: Man hat laut Juristen ein Anrecht darauf, dass gestellte Asylanträge in einer akzeptablen Zeit bearbeitet werden.

4 Der Beweis der Überlastung ist möglich.

Aber er ist nicht leicht zu erbringen.

Auch im Völkerrecht gilt der Grundsatz, dass ein Staat nicht mehr leisten muss, als er kann. Und tatsächlich hat sich im Umgang mit Flüchtlingen eine Schieflage entwickelt. Europa ist besonders belastet, und hier besonders Österreich, Deutschland oder Schweden.

Doch manche Juristen wollen Überlastung erst erblicken, wenn die Grundlagen des Staates in Gefahr sind, wenn er das Sozial- oder Bildungssystem nicht mehr aufrechterhalten kann. Als Beispiel wird dabei auf den Libanon verwiesen, der erst dann beim Asylrecht restriktiv wurde, als rund 25 Prozent der Bevölkerung aus Syrern bestanden.

Andere wiederum meinen, dass man bei gesamt 100.000 Asylanträgen sehr wohl eine mögliche Überlastung Österreichs prüfen kann. Zumal dies nicht die letzte Krise auf der Welt sein wird und weitere Zuströme sehr wohl die Gesellschaft überlasten könnten.

5 Eine solidarische EU-Lösung fehlt. Und die Genfer Konvention lässt sich schwer ändern.

Die Grundhoffnung der Regierung, dass in der EU der Solidaritätsgedanke eine faire Verteilung der Flüchtlinge möglich macht, hat sich nach wie vor nicht erfüllt. Könnte dann eine Änderung des internationalen Rechts die Lösung bringen? Wie jedes Recht könnte man auch internationale Abkommen ändern. Als die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 verabschiedet wurde, stand man unter dem Eindruck der Nazi-Gräuel und wollte sicherstellen, dass verfolgte Menschen immer Schutz bekommen. Man dachte nicht daran, dass zum Beispiel auch viele Wirtschaftsflüchtlinge versuchen würden, über die Asylschiene in bestimmte Länder zu gelangen.

So ein Änderungsversuch ist freilich heikel, müsste doch der Schutz Verfolgter sichergestellt bleiben. Und eine so große Änderung im völkerrechtlichen Bereich würde auch nicht auf die Schnelle gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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