Hundstorfer: "Allen war klar, dass das nicht so weitergehen kann"

SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer über die notwendige Begrenzung der Flüchtlingszahlen, sein Image als Apparatschik, den Bawag-Skandal, seine Politik für die Jungen, außenpolitische Erfahrung und Wladimir Putin.

Ihr Kontrahent Andreas Khol sagt, die österreichische Lebensart, die Wirtschafts- und Sozialordnung dieses Landes seien durch die steigende Flüchtlingszahl bedroht. Sehen Sie das auch so?

Rudolf Hundstorfer: Ich sehe die Bedrohung so nicht. Aber natürlich können wir nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, die unterwegs sind. Das war der Grund, warum sich die Regierung auf einen Richtwert geeinigt hat. Das unterstütze ich.

Ist dieser Richtwert eine Obergrenze?

Richtwert, Obergrenze, Untergrenze. Das Wesentliche ist: Wir haben damit – wie Schweden oder Holland – ein Signal gesetzt. Deutschland wird das auch tun. Es gibt eine Kapazitätsgrenze. Und die wurde heuer eben mit 37.500 Asylanträgen festgelegt.

Nicht alle Ihre Freunde in der Wiener SPÖ, aus der Sie kommen, sind mit dieser Lösung einverstanden. Was sagen Sie denen, die finden: Haltung kenne keine Obergrenze.

Sie werden niemanden in der Sozialdemokratie finden, der glaubt, dass wir die rund vier Millionen Syrer, die sich derzeit in den Flüchtlingslagern – etwa in der Türkei, im Libanon, in Jordanien – aufhalten, aufnehmen können. Allen war klar, dass das, was die österreichische Bevölkerung im Vorjahr geleistet hat, nicht ewig so weitergehen kann.

Was hat den Ausschlag gegeben, dass sich die SPÖ von der Willkommenskultur verabschiedet hat?

Die Bewegung, die in Europa eingesetzt hat, beginnend in Schweden, ist auch an Österreich nicht spurlos vorübergegangen. Die Bundesregierung musste etwas tun. Das ist ein Mehr-geht-nicht-Signal an die EU, damit dort mehr Anstrengungen für gemeinsame Lösungen unternommen werden. In Österreich müssen wir jetzt einmal die Menschen, die da sind, integrieren.

Wie interpretieren Sie als bisheriger Sozialminister denn die Kompetenzchecks des Wiener AMS? Afghanen haben kaum Qualifikationen, wie wollen Sie die integrieren?

Ich habe diese Kompetenzchecks in Auftrag gegeben. Es war immer klar, dass die Integration bei manchen Gruppen schneller gehen wird als bei anderen. Und dass wir das Problem nicht mit einem Knopfdruck lösen können. Sie werden aber auch afghanische Flüchtlinge finden, die engagiert sind, die einen Hauptschulabschluss machen und sich integrieren wollen.

Es heißt, Sozialminister sei der Traumjob jedes Gewerkschafters. Wieso setzen Sie dieses Amt aufs Spiel und kandidieren für die Bundespräsidentschaft?

Ich habe mich für diesen Weg entschieden – und ich betrachte das nicht als Risiko.

Aber was ist Ihr Motiv? Wollten Sie schon als kleiner Bub in der Sandkiste Bundespräsident werden wie Alfred Gusenbauer Kanzler?

Ich habe in meinem Leben immer tolle Chancen bekommen. Das ist jetzt eben der nächste Entwicklungsschritt.

Würden Sie sagen, dass der Bawag-Skandal, durch den Sie 2006 an die Spitze des Gewerkschaftsbundes gekommen sind, Ihrer Karriere einen entscheidenden Impuls gegeben hat?

Sicher hat der Bawag-Skandal mein Leben verändert.

Was, wenn Sie die Wahl nicht gewinnen? Gibt es ein Auffangnetz, oder gehen Sie dann in Pension?

Das überlege ich mir, wenn es so weit ist. Ich habe keinen Plan B.

Würden Sie das Bundespräsidentenamt im Stil Heinz Fischers fortführen, also ausgleichend, ruhig, konfliktscheu?

Jede Persönlichkeit hat ihren eigenen Stil, ihr eigenes Auftreten.

Wann würden Sie in die Regierungspolitik eingreifen?

Wenn ich merke, dass unser Sozialsystem durch bestimmte Entwicklungen ins Schwanken kommt, dann wäre das so ein Fall.

Über Ihre außenpolitische Erfahrung ist relativ wenig bekannt.

Ein Sozialminister kommt ganz schön herum in der Welt. Nur wird das medial nicht immer wahrgenommen.

Sie waren also viel unterwegs?

Allerdings. Ich war zum Beispiel der erste Sozialminister Österreichs, der zu einem Arbeitsbesuch nach China eingeladen wurde. Ich durfte Europa zweimal bei der UNO in New York vertreten. Und, und, und.

In Frankreich waren Sie oft.

Ich war insgesamt schon sehr umtriebig. Ich möchte aber auch dazusagen, dass noch niemand als Bundespräsident geboren wurde – so wie auch noch niemand als Außenminister geboren wurde. Wenn man eine Chance bekommt, dann muss man seinen Weg gehen.

Werden Sie einen Kernwählerwahlkampf im SPÖ-Milieu führen, oder wollen Sie auch bürgerliche Wähler ansprechen?

Als Gewerkschafter, als ÖGB-Präsident und als Minister lernt man, mit allen in Dialog zu treten. Ich werde in diesem Wahlkampf viele Menschen treffen, und von den meisten werde ich nicht wissen, woher sie kommen. Dieses Land hat eine bunte Vielfalt an Menschen und Meinungen. Ich möchte alle ansprechen.

Sie gelten als roter Apparatschik. Ist Ihnen dieses Image egal, oder werden Sie versuchen, es aufzubrechen?

Meine Lebensgeschichte ist, wie sie ist. Ich bin vor 47 Jahren in die SPÖ eingetreten, und ich werde mich jetzt nicht verrenken. Aber ich habe in meinem Leben schon so viele Dinge gemacht, verändert, gestaltet, etwa mit 55 Jahren gelernt, wie man eine Bank verkauft.

Werden Sie auch ein Präsident für die Jungen sein? Als Sozialminister hat man Ihnen vorgeworfen, dass Sie die nächsten Generationen eher außer Acht gelassen haben. Stichwort Pensionssystem.

Alle Pensionsreformen, die ich gemacht habe, waren vom Grundgedanken getragen, dass auch die nächsten Generationen Sicherheit in diesem System haben sollen.

Das sehen vermutlich nicht alle so. Ihre Kritiker sagen: Sie hätten viel zu wenig reformiert.

Ich halte dem das Pensionskonto entgegen, ein Signal in Richtung Jugend und Transparenz. Ich halte dem auch entgegen, dass ich mich durch Arbeitsmarktprogramme intensiv um die Jugend gekümmert habe – bis hin zur Ausbildungsverpflichtung, die ich vergangene Woche noch in Begutachtung geschickt habe. Ich habe sehr wohl auf die nächsten Generationen geschaut. Noch dazu, da ich selbst drei Kinder habe.

Mit wem rechnen Sie in der Stichwahl am 22. Mai?

Diese Frage beschäftigt mich jetzt wirklich nicht. Ich möchte gewinnen.

Was sagen Sie zu Norbert Hofer, dem Kandidaten der FPÖ?

Er war Mitglied des Sozialausschusses, daher kennen wir uns. Dass er seine freiheitlichen Grundwerte massiv vertreten kann, ist ja bekannt.

Wäre Ihnen Ursula Stenzel als freiheitliche Kandidatin lieber gewesen?

Darum geht es nicht. Wer da ist, ist da. Ich werde meine eigenen Positionen in den Vordergrund stellen.

Wie stehen Sie zu Andreas Khol?

Sie werden von mir keine Qualifizierungen der anderen Kandidaten hören. Auch über Frau Griss sage ich nichts.

Khol hat vorgeschlagen, in diesem Wahlkampf auf Plakate zu verzichten. Sie haben sich Bedenkzeit erbeten. Sind Sie schon zu einem Ergebnis gekommen?

Nein, ich denke noch nach. Und bevor ich eine Entscheidung treffe, müssen wir noch ein Gespräch mit den Freiheitlichen führen. Wir haben ja bis Donnerstag nicht gewusst, wer da antritt.

Haben Sie politische Vorbilder?

Es ist kein Geheimnis, dass ich jahrelang für einen Nationalratspräsidenten – Rudolf Pöder – gearbeitet habe. Da bekommt man schon eine gewisse Prägung mit.

Was liegt denn auf Ihrem Nachtkästchen? Akten? Oder Bücher?

Im Moment liegt dort ein Buch von Oskar Negt über China. Manchmal liegen da auch ein paar Krimis herum.

Sie waren in China, lesen Bücher über China. Was kann Österreich von China lernen?

Bemerkenswert an China ist, wie ein kommunistisches Land einen wirtschaftlichen Wandlungs- und Öffnungskurs umgesetzt hat. Gleichzeitig erkennt die chinesische Politik selbst, wo sie noch Aufholbedarf hat. Ein Sozialsystem, wie wir es kennen, gibt es dort nämlich nicht.

Heinz Fischer hatte stets ein entspanntes Verhältnis zu Wladimir Putin. Wie stehen Sie denn zum russischen Präsidenten?

Die beiden haben sich so oft getroffen, dass ein entspanntes Verhältnis daraus geworden ist. So etwas muss sich entwickeln, das muss man sich erarbeiten.

Gibt es einen Staatschef, den Sie nicht empfangen würden?

Sie gestatten, dass ich zuerst das Amt übernehmen möchte, bevor ich dazu etwas sage. Aber Nordkorea, glaube ich, werden wir eher nicht einladen.

Wo werden Sie im Fall des Falles wohnen?

Eine Villa kommt nicht infrage. Ich möchte, wenn das möglich ist, in unserer Wohnung bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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