Staatsschutz: Schießen bei Grenzübertritt verboten

Nur in Ausnahmefällen wie etwa Notwehr dürfen Polizisten und Soldaten beim Grenzeinsatz (hier in Spielfeld) schießen.
Nur in Ausnahmefällen wie etwa Notwehr dürfen Polizisten und Soldaten beim Grenzeinsatz (hier in Spielfeld) schießen.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Wer illegal einreist, begeht nur eine Verwaltungsübertretung. Das Schießen auf Flüchtlinge ist daher untersagt. Die Regierung will aber klarer regeln, was man an der Grenze darf.

Wien. Deutschland diskutiert über die Frage, ob man bei illegalem Grenzübertritt auf Flüchtlinge schießen darf. Anlass waren Äußerungen von AfD-Parteichefin Frauke Petry, die notfalls auf Flüchtlinge schießen lassen will. Doch wie ist die juristische Situation zu dieser Frage in Österreich? Die Rechtslage fällt hierzulande deutlicher als in Deutschland aus.

So ist der illegale Grenzübertritt keine Straftat, wie er es in Deutschland und Ungarn ist, sondern nur eine Verwaltungsübertretung. Und schon aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebe sich, dass ein Waffengebrauch bei einer Verwaltungsübertretung nicht möglich sei, sagt der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Das betreffe sowohl die Polizisten als auch die Soldaten an der Grenze, die hier demselben Recht unterliegen.

Festhaltung möglich

Laut dem Fremdenpolizeigesetz ist jemand, der illegal in das Bundesgebiet einreist, nur mit einer Verwaltungsstrafe von 100 bis zu 1000 Euro zu bestrafen. Der illegale Grenzübertritt sei somit vergleichbar mit jemandem, der ein Verkehrsdelikt begeht, meint Leo Josefus von der Landespolizeidirektion Steiermark. Gerade die Steiermark war im Zuge der Flüchtlingskrise ja besonders gefordert.

Allerdings könne man bei Verwaltungsdelikten sehr wohl Personen zwangsweise festhalten, sagt Josefus. Das Verwaltungsstrafgesetz sieht dies etwa dann vor, wenn jemand auf frischer Tat betreten wird und der Behörde vorgeführt werden soll. Oder wenn jemand die strafbare Handlung, nach der er abgemahnt wurde, fortführt. Oder, wenn sich jemand der Strafverfolgung entziehen will.

Soldaten assistieren nur

Aber warum ist überhaupt die Polizei federführend für die Frage zuständig, was man an der Grenze darf? Das Bundesheer handle bei der Grenzsicherung nur im Rahmen eines Assistenzeinsatzes, erklärt Michael Bauer, Ressortsprecher im Verteidigungsministerium. Das Innenministerium fordere die Hilfe der Soldaten an.

Die jeweilige Landespolizeidirektion würde dann die Vorschriften für die Aufgaben des Heers erlassen, wobei diese von Bundesland zu Bundesland abweichen könnten. Soldaten in der Steiermark (in die Flüchtlinge aus Slowenien kommend einreisen wollen) hätten schließlich andere Aufgaben als jene in Salzburg.

Im deutschen Recht ist bereits das Gesetz strenger formuliert. Eine unerlaubte Einreise gilt als Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert wird. Und Beamte im Grenzdienst dürfen Schusswaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, stehen zu bleiben, durch Flucht entziehen. Auf diesen Paragrafen hat auch die Vorsitzende der deutschen Partei AfD verwiesen.

Allerdings sieht ein anderer Paragraf im deutschen Gesetz vor, dass Schusswaffen nur gebraucht werden dürfen, wenn andere Maßnahmen nichts mehr nützen. Und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt ebenso für deutsche Polizisten, weswegen es dann doch auch nach dem deutschem Recht kaum gerechtfertigt sein wird, auf jemanden zu schießen, der bloß einen Asylantrag einbringen will.

Im österreichischen Verteidigungsministerium denkt man aber darüber nach, künftig noch klarer festzuschreiben, was man bei der Grenzsicherung tun darf.

Genauere Regeln geplant

„Für den Bundesminister ist es ganz wichtig klarzustellen: Was darf der Polizist, was darf der Soldat?“, heißt es aus dem Kabinett von Hans Peter Doskozil. Experten würden an dieser Frage arbeiten, die Verhältnismäßigkeit müsse aber auch künftig gewahrt bleiben. Verteidigungsminister Doskozil (SPÖ) selbst hat gleichfalls schon erklärt, von Schießbefehlen an der Grenze nichts zu halten, Tränengas halte er ebenso nicht für verhältnismäßig.

Waffen dürfen nach geltendem Recht beim jetzigen Grenzeinsatz nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Etwa bei Notwehr, also wenn ein Soldat oder Polizist unmittelbar bedroht wird. Oder zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme, wie es im anzuwendenden Waffengebrauchsgesetz heißt. Ein mit Lebensgefährdung verbundener Waffeneinsatz – darunter fallen Schusswaffen – ist bei Festnahmen aber nur zulässig, wenn jemand eine gerichtlich strafbare Vorsatztat begangen hat, die mit mehr als einem Jahr Gefängnis bedroht ist.

Davon ist man bei einem bloßen Verwaltungsdelikt wie der illegalen Einreise weit entfernt.

Auf einen Blick

Der Gebrauch von Schusswaffen, um Flüchtlinge an der Einreise nach Österreich zu hindern, wäre rechtswidrig. Die illegale Einreise stellt nur eine Verwaltungsübertretung dar, ein Einsatz von Schusswaffen zur Festnahme wäre nur bei gröberen, gerichtlich strafbaren Delikten erlaubt. Für Soldaten im Assistenzeinsatz und Polizisten gelten dieselben Regeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2016)

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