Norbert Darabos: Das rote Chamäleon

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Norbert Darabos, heute Soziallandesrat im rot-blauen Burgenland, kann sich vorstellen, Flüchtlingen die Mindestsicherung zu kürzen. Über einen Linken, der zum Rechten werden musste.

Wien/Eisenstadt. Da war er wieder, am Dienstagabend im Fernsehen: Norbert Darabos, einst Bundesgeschäftsführer der SPÖ, dann Verteidigungsminister, dann wieder Bundesgeschäftsführer und heute Soziallandesrat im Burgenland. Was er von den Plänen der oberösterreichischen Landesregierung halte, anerkannten Flüchtlingen die Mindestsicherung zu kürzen, wurde er vom ORF-Report gefragt.

„Gar nichts“, hätte Darabos früher einmal geantwortet und ähnliche Argumente angeführt wie der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl: Schwarz-Blau betreibe hier Sozialabbau und wolle den Ärmsten noch mehr wegnehmen, obwohl die Reichen immer reicher würden. Doch jetzt sagte Darabos: Wenn Oberösterreich darüber nachdenke, dann dürfe auch das Burgenland darüber nachdenken. Einige Sozialdemokraten sollen sich an dieser Stelle gefragt haben, ob das denn noch derselbe Darabos sei, den sie von früher kennen: den Wehrdienstverweigerer, der einmal „Sozialfighter statt Eurofighter“ plakatieren hat lassen.

Doch, schon, es ist noch derselbe. Norbert Darabos ist sich insofern treu geblieben, als er sich selbst untreu geworden ist. Wieder einmal hat sich der 51-Jährige seiner neuen Umgebung angepasst, die jetzt eine rot-blaue ist, und seine Grundwerte in den hintersten Winkel seiner Persönlichkeit verbannt. Dorthin, wo sie sein neuer Chef nicht finden kann. Denn eine liberale Haltung in der Flüchtlingsdebatte wäre in einer von Hans Niessl geführten Landesregierung eher ungünstig. Jedenfalls dann, wenn man seinen Job behalten will.

Nichts ohne die Partei

Darabos wollte immer dazugehören, und deshalb nahm er stets die Rolle ein, die andere für ihn vorgesehen hatten. Nach dem Grundsatz seines Landsmannes Fred Sinowatz: „Ohne die Partei bin ich nichts.“ So wurde er 2006 Verteidigungsminister, obwohl er eigentlich Innenminister werden wollte. Noch dazu mit der unlösbaren Aufgabe, die Eurofighter gewinnbringend zurückzugeben.

Wenn es denn sein musste, also zum Wohle der Partei, entsorgte Darabos auch seine in Stein gemeißelten Dogmen. Als Häupl vor der Wien-Wahl 2010 die SPÖ-Linie in „Berufsheer“ änderte, um der „Kronen Zeitung“ einen Gefallen zu tun, fügte sich der damalige Verteidigungsminister in sein Schicksal, obwohl er immer ein überzeugter Wehrpflichtbefürworter gewesen war. Es überraschte auch niemanden, dass Darabos vor der Nationalratswahl 2013 in die zweite Reihe zurücktrat, als ihn Faymann als Kampagnenmanager brauchte. Er ging widerwillig, aber er ging.

Eines Tages hatte Darabos dann aber keine Wahl mehr. Einige Landesparteichefs waren unzufrieden mit der Arbeit der SPÖ-Zentrale und drängten Faymann, den Bundesgeschäftsführer abzulösen. Als sich im Burgenland eine Möglichkeit auftat, war es so weit. Allerdings musste Darabos erneut seine Überzeugung über Bord werfen.

Immer wieder hatte er die FPÖ scharf kritisiert und eine Koalition mit ihr ausgeschlossen. Im Februar 2015 bezeichnete er die schwarz-blau-grüne Allianz in Wiener Neustadt noch als Tabubruch. Im darauffolgenden Sommer war Darabos dann selbst Teil eines solchen. Seine Rechtfertigung brachte sogar Niessl zum Schmunzeln: Er sei jetzt eben innerhalb der Koalition „ein Bollwerk gegen die FPÖ“.

Da hatte sich Darabos' Image längst vom Sozialisten zum Opportunisten gewandelt. Dabei war er einst als Hoffnungsträger in die Bundes-SPÖ gekommen, nachdem er Niessl im Jahr 2000 – nach dem Bank-Burgenland-Skandal – überraschend zum Landeshauptmann gemacht hatte. In Wien verhalf er Heinz Fischer 2004 in die Hofburg und Alfred Gusenbauer zwei Jahre später ins Kanzleramt. Danach, mit seinem vermeintlichen Aufstieg ins Verteidigungsministerium, begann Darabos' Abstieg.

„Kein unsozialer Mensch“

Auch im Burgenland, meint ein Parteifreund, suche er noch seinen Platz, seine Rolle in der Landesregierung. Im Grunde seines Herzens ist Darabos nämlich ein Linker geblieben. „Ich gelte nicht als unsozialer Mensch“, sagte er am Dienstag im ORF-Report, um das zu rechtfertigen, was danach kommen sollte: dass man auch an jene Menschen denken müsse, die 40 Jahre in Österreich gearbeitet und ins Sozialsystem eingezahlt hätten, aber jetzt weniger bekämen als mancher Asylwerber.

Das war natürlich im Sinne der burgenländischen SPÖ, die sich zumindest vorstellen kann, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu kürzen. Parteiintern will Niessl aber nicht vorpreschen, sondern abwarten, was die Gutachter sagen. „Wir möchten zunächst einmal geklärt haben, ob das rechtlich überhaupt geht“, heißt es aus Eisenstadt.

Man schließt dort auch nicht aus, dass diese Maßnahme von ganz oben angeordnet wird, wenn die Juristen grünes Licht gegeben haben. Immerhin wurde das Gutachten von der Bundesregierung in Auftrag gegeben. In diesem Fall wäre Norbert Darabos vielleicht ein Stück weit rehabilitiert. Denn dann hätte innerhalb der SPÖ nicht mehr nur er ein Glaubwürdigkeitsproblem.

ZUR PERSON

Norbert Darabos war von 2007 bis 2013 Verteidigungsminister, davor und danach Bundesgeschäftsführer der SPÖ. Im Sommer 2015 kehrte er als Sozial- und Gesundheitslandesrat ins Burgenland zurück. Wie Landeshauptmann Hans Niessl kann sich auch Darabos vorstellen, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu kürzen. Man will aber zunächst das Gutachten der Bundesregierung abwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)

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