Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wählt in der Asylpolitik eine immer schärfere Tonart. Dass die Bundesländer mehr Quartiere schaffen müssen, hat sie aber schon 2014 gefordert.
Wien. Man hätte es auch anders formulieren können. Zum Beispiel so: Deutschland übernimmt in Abstimmung mit Österreich nur eine bestimme Anzahl an Flüchtlingen. Dasselbe müsse man nun auch an der Grenze zu Slowenien tun. Oder: In Spielfeld können maximal 11.000 Menschen in 24 Stunden abgewickelt werden. An diese Kapazitäten müsse man auch die Zahl an Asylwerbern orientieren.
Johanna Mikl-Leitner wäre aber nicht sie selbst, hätte sie ihre Forderung so vorsichtig formuliert: Die Innenministerin kündigte eine „tägliche Obergrenze“ für Flüchtlinge an. Nachsatz: „Wir legen planmäßig die Bremse ein.“
Als Freundin der deeskalierenden Worte kann man die Niederösterreicherin, die in wenigen Tagen 52 Jahre alt wird, wahrlich nicht bezeichnen: Sie fordert eine „Festung Europa“, hat vor einen „Gewalteinsatz“ an der Grenze gewarnt. Mikl-Leitner kündigte auch an, Asylverfahren auf Eis zu legen. Und Griechenland drohte sie quasi mit einem Schengen-Ausschuss.
Signal an EU und Flüchtlinge
Innerhalb der ÖVP soll man nicht immer glücklich über die Aussagen der Innenministerin sein. Warum Mikl-Leitner so agiert, ist allerdings klar: Sie will ein Signal an andere EU-Staaten senden, die zu wenige Flüchtlinge aufnehmen und eine europäische Quote blockieren. Und auch an die Flüchtlinge – damit sie in anderen Ländern Schutz suchen.
Vielleicht hatte Mikl-Leitner aber rhetorischen Steigerungsbedarf. Fairerweise muss festgehalten werden: Sie hat bereits 2014 die Bundesländer wiederholt aufgefordert, ihre Betreuungsquote für Flüchtlinge einzuhalten. Es geschah lange Zeit wenig bis nichts. Heute noch gibt es einige Gemeinden, in denen noch kein einziger Flüchtling untergebracht ist. Dass die Asylpolitik in Österreich unkoordiniert und chaotisch ist, ist also nicht die alleinige Schuld der Ministerin. Bund, Länder und Gemeinden ließen sie teilweise allein.
In der Praxis ändert das allerdings wenig. Die Regierung sucht noch nach einer einheitlichen Lösung des Problems: Die Asyl-auf-Zeit-Regelung, die kürzlich in das Parlament geschickt wurde, soll Flüchtlingen in Zukunft befristet Asyl gewähren. Auch der Familiennachzug wird erschwert.
Doch schon im Sommer trat eine weitere Änderung in Kraft: Kleinere Verteilerzentren in den Ländern sollten das ehemalige Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen entlasten. Doch die Eröffnung der Quartiere verzögerte sich. Und wenige Wochen nach Start des Betriebs waren diese Zentren ebenfalls überfüllt. Die nächste Hoffnung war das Durchgriffsrecht: In säumigen Gemeinden darf der Bund auf eigene Faust Quartiere eröffnen. Auch diese Neuerung brachte aber keine große Entlastung.
Weniger Polizeidirektionen
Viel Zeit für andere Themen blieb der ÖAAB-Chefin nicht: Zu Beginn der Legislaturperiode ließ Mikl-Leitner mit der Entscheidung aufhorchen, etliche Polizeidienststellen zu schließen. Nach den Terrorangriffen nutzte sie die Gelegenheit, um ein 290-Millionen-schweres Sicherheitspaket von der Regierung absegnen zu lassen. Ihre Rolle als Regierungskoordinatorin auf ÖVP-Seite hat sie noch, die Rolle als Ko-Verhandlerin von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat sie allerdings abgegeben.
Für eine Obergrenze trat Mikl-Leitner übrigens nicht immer schon ein. Im Juni 2015 sagte sie noch: „Es gibt die Genfer Flüchtlingskonvention, an die sich ein Rechtsstaat auch hält. Wenn jemand bei uns einen Asylantrag stellt, wird der auch behandelt. Diese Zahl kann man also kaum beeinflussen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)