Auch als Kulturminister beschäftigt sich Josef Ostermayer lieber mit dem Möglichen als mit dem Unmöglichen. Und er hat einiges geschafft. Das Haus der Geschichte wird aber eine harte Nuss. Große Visionen sind von ihm nicht zu erwarten.
Im Freilichtmuseum Wien ist alles tipptopp. Ob in Zukunft noch genug Geld da sein wird, all die Monumente zu bewahren, ist ungewiss. Die eben an die Öffentlichkeit gelangte notwendige Sanierung der Wiener Secession, die vergleichsweise bescheidene drei Millionen Euro erfordert, überdies in den Verantwortungsbereich der Stadt Wien fällt, erinnert daran, dass die öffentliche Hand als Hausbesitzer mit Verantwortung dem Steuerzahler gegenüber große Aufgaben hat.
Mehr Herz als die Sozialdemokraten wird wohl kaum mehr jemand für Kunst und Kultur haben. Wenn die Politik stärker nach rechts driftet, könnten die Kulturausgaben schrumpfen. Die wichtigste Rolle für die Verteilungspolitik spielt die Wirtschaftslage. Die Kulturbudgets sind nur auf den ersten Blick enorm: 441 Millionen gibt der Bund jährlich für Kunst und Kultur aus, 250 Millionen die Stadt Wien. Das meiste ist gebunden, in Theatern, Opern, Museen.
Seit Dezember 2013 ist der Sozialdemokrat und Jurist Josef Ostermayer Kanzleramtsminister für Kunst, Kultur, Medien und Verfassung. Als erste Tat hatte Ostermayer die Finanzkrise im Burgtheater, verursacht durch zu hohe Ausgaben und Malversationen in der Buchhaltung, zu bewältigen. Sein gelassenes Handeln wurde viel gelobt. Die Burg steht noch, vor allem dank Direktorin Karin Bergmann und der Schauspieler, die viel mehr spielen müssen als früher.
Proporz statt Weltläufigkeit
Einen neuen Rechnungshofbericht über das Burgtheater wird es noch heuer geben. Unlogisch scheint angesichts der vermuteten Verschwendung, dass das Budget für die Bundestheater mit 1. Jänner 2016 um 14 Mio. auf fast 163 Mio. Euro erhöht wurde. Tatsächlich gab es dafür nicht wirklich eine Alternative. Die Bundestheater können ihre jährlichen Kostensteigerungen auf Dauer nicht selbst verdienen. Damit das Kopfschütteln über die teuren Bühnen nicht allzu heftig wird, stellte Ostermayer ein Paket für mehr Privatinitiative in Kunst und Kultur vor: Spenden an öffentlich geförderte Institutionen sind künftig steuerlich absetzbar, was bis zu 25 Mio. Euro bringen soll.
Wer jetzt „Zahlen aus dem Traumbüchl“ ruft, sollte daran denken, dass es Institutionen wie der Fundraising-Verband Austria waren, die die Schätzungen abgegeben haben. Aber natürlich ist die Maßnahme eine Hoffnung für die Zukunft. Wie auch das Haus der Geschichte, das für Ostermayer noch eine harte Nuss werden wird, weil das Projekt im Parteiengezänk und Proporzgerangel zu versinken droht. Auch die Kosten sind nicht wirklich abschätzbar. Dass das Weltmuseum wegen des Hauses der Geschichte von seiner Neugestaltung Abstriche vornehmen muss, ist mehr als ein Wermutstropfen. Von Kundigen vermittelte Bekanntschaft mit fremden Kulturen zu machen wird demokratiepolitisch immer wichtiger. Speziell, da man wohl langfristig wegen politischer Turbulenzen und gesundheitlicher Gefährdungen nicht mehr so frei wird herumreisen können wie die vergangenen Jahrzehnte.
Was wir uns vom Haus der Geschichte wünschen: Wenn es kommt, sollte es auch die Weltpolitik beleuchten, die Österreichs Geschichte mitbestimmte, kurz, so international, weltläufig und um Objektivität bemüht wirken wie das Expertengremium, welches sich mit der Vorbereitung der neuen Institution beschäftigt.
Wer ist nun Josef Ostermayer? Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, er wirkt konstruktiv und beredt, er beschäftigt sich lieber mit dem Möglichen als mit dem Unmöglichen. Vergleicht man ihn mit Claudia Schmied, die kulturaffiner gewirkt hat als Ostermayer, hat dieser rein budgetär mehr bewegt als sie. Ostermayer wirkt auch kooperativer als der durch seine Insider-Kenntnisse oft überkritische VP-Kulturstaatssekretär und Schauspieler Franz Morak.
Hochkultur dominiert
Schmieds Coup bleibt die Ernennung des Staatsoperndirektors Dominique Meyer. Dieser scheint zwar ziemlich machtbewusst zu sein, wie seine Spannungen mit dem ehemaligen Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst und der scheidenden Opernball-Chefin, Desirée Treichl-Stürgkh, zeigen, wer allerdings die eine oder andere Opernvorstellung besucht, staunt: Das Haus ist knallvoll, der Jubel selbst bei Repertoirevorstellungen lautstark. Es ist zu hoffen, dass die Finanzkrise bei den Bundestheatern den nüchternen Umgang mit Zahlen weiter stärkt. Dafür soll ab 1. April 2016 Christian Kircher sorgen. Der Finanzdirektor des Wien-Museums übernimmt die Bundestheater-Holding. Die politischen Debatten um Kultur wirken mitunter heftig und beckmesserisch.
Fix ist, dass sich durch die Berufung von kaufmännischen Geschäftsführern mit Gewicht in den Kulturinstitutionen vieles verbessert hat. Kunst und Kultur sind ein wichtiger Arbeitgeber, sie tragen zur offenen Atmosphäre einer Stadt, eines Landes bei. In Wien ist noch immer alles sehr auf das Zentrum konzentriert, rasch wachsende Bezirke abseits der City mit hoher Migration werden von den Kulturpolitikern wenig beachtet.
Da die Kunstbudgets kaum mehr kräftig steigen werden, ist Kreativität gefragt. In den äußeren Bezirken findet man allerdings eher von der öffentlichen Hand wenig oder nicht finanzierte Kultur wie Popkonzerte, Jazz oder Kabarett. Und einen der größten Theatererfolge der letzten Zeit hatte ebenfalls eine Privatinitiative: Michael Niavaranis Bearbeitung von Shakespeares „Richard III.“, als Nächstes kommt „Romeo und Julia“ ab Ende März ins Globe Wien (Neu-Marx). Niavaranis Publikum ist das viel zitierte und gern missbrauchte „Volk“, das vor den Hochkulturtempeln oft begreifliche Schwellenangst hegt.
Österreichs Kultur ist geprägt durch Hochkultur, bedingt durch die Vergangenheit der Monarchie: Kulturträger waren dort Kaiserhaus, Adel und Bürger. Impulse für die Kunst müssten mehr von der Basis kommen. Große Visionen sind insgesamt nicht sichtbar. Man begnügt sich mit der Erhaltung und Verwaltung des Bestehenden. Ostermayer ist da keine Ausnahme.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)