5900 Flüchtlinge fanden im Vorjahr in Österreich einen Job

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Der deutsche Arbeitsmarkt kann jedes Jahr rund 350.000 Flüchtlinge aufnehmen. In Österreich ist die Situation für Asylberechtigte wesentlich schwieriger.

Wien. Die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht sich für die Integration von Flüchtlingen gut gerüstet. BA-Vorstand Detlef Scheele sagte am Montag, dass der deutsche Arbeitsmarkt jedes Jahr rund 350.000 Flüchtlinge aufnehmen kann. Denn jährlich würden in Deutschland rund 700.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Im Vorjahr kamen aber rund 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland. „Der Weg an den Arbeitsmarkt ist lang“, sagte Scheele zur Zeitung „Die Welt“. Er geht davon aus, dass zehn Prozent der Flüchtlinge nach einem Jahr eine Arbeit finden können, 50 Prozent nach fünf Jahren und 75 Prozent nach zwölf bis 13 Jahren.

Die „Presse“ hat sich dazu die Zahlen für Österreich angesehen. Ein Problem für den heimischen Arbeitsmarkt ist die schwache Konjunktur. Österreich hat zehnmal weniger Einwohner als Deutschland. Demnach sollte es bei uns eigentlich 70.000 offene Stellen geben. Doch tatsächlich wurden im Vorjahr nur rund 30.000 neue Jobs geschaffen. Heuer soll die Zahl nach Einschätzung des Arbeitsmarktservice auf 36.600 steigen. Da heuer aber mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen werden, wird in Österreich die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen. Schuld daran sind nicht nur die Flüchtlinge, sondern es gibt auch einen starken Zuzug von Arbeitskräften aus Osteuropa.

Anders als in Deutschland dürfen in Österreich Flüchtlinge – abgesehen von kleineren Ausnahmen – erst arbeiten, wenn sie einen positiven Asylbescheid erhalten haben. Im Vorjahr flüchteten rund 90.000 Menschen nach Österreich. Viele von ihnen sind noch nicht auf dem Arbeitsmarkt angekommen, da bei ihnen das Asylverfahren läuft. Ende Jänner wurden vom Arbeitsmarktservice 21.575 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte betreut. Davon stammten 6810 Personen aus Syrien, 4789 aus Afghanistan, 3378 aus Russland/Tschetschenien, 1125 aus dem Irak und 1085 aus dem Iran.

Laut AMS dürften heuer zusätzlich 30.000 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte auf den Arbeitsmarkt drängen.

Im Vorjahr fand das AMS bereits für 5861 Flüchtlinge einen Job. Interessant ist, dass Personen aus Afghanistan leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Bislang hat es immer geheißen, dass Menschen aus Afghanistan aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus schwerer vermittelbar seien. Doch im Vorjahr fanden 1614 Menschen aus Afghanistan eine Arbeitsstelle. Auf Platz zwei lagen Flüchtlinge aus Russland-Tschetschenien (1153), gefolgt von Menschen aus Syrien (672) und dem Iran (408).

Meist nur schlecht bezahlte Tätigkeiten

Für die Betroffenen gab es meist nur schlecht bezahlte Tätigkeiten. Von den 5861 Flüchtlingen, bei denen das AMS erfolgreich war, arbeiten 2104 Personen in einem sogenannten Hilfsberuf allgemeiner Art (wie Lagerarbeiter). 758 Menschen erhielten eine Stelle als Küchengehilfe oder Koch. 526 Männer kamen im Bau unter. Auch in der Gebäudereinigung sind viele Flüchtlinge beschäftigt.

Denn die Betroffenen sind oft nicht gut ausgebildet. Ende Jänner hatten 77 Prozent der aus den fünf größten Nationalitätengruppen stammenden Asylberechtigten laut AMS-Angaben nur einen Pflichtschulabschluss. 9,1 Prozent verfügten über eine höhere Ausbildung, und 5,8 Prozent waren Akademiker. Das AMS weist allerdings darauf hin, dass diese Daten möglicherweise noch ein verzerrtes Bild liefern. Um die Qualifikationen herauszufinden, will das AMS heuer bei mehr als 10.000 Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten einen Kompetenzcheck durchführen.

Hinzu kommt die regionale Problematik. Die meisten Flüchtlinge zieht es nach Wien, hier gibt es aber zugleich die höchste Arbeitslosigkeit. Von den 21.575 Asyl- und Schutzberechtigten, um die sich das AMS derzeit kümmert, lebten 14.354 in Wien. Somit sind zehn Prozent der Arbeitslosen in Wien Asylberechtigte.

Viele Unternehmen wollen vom Gesetzgeber mehr Spielraum, um Flüchtlingen zu helfen. Ein Beispiel ist die Grazer Hightechfirma Anton Paar, die ein Quartier für 39 unbegleitete minderjährige Asylwerber zur Verfügung stellt. Diese werden vom sozialen Dienstleistungsunternehmen Alpha Nova betreut. Viele gehen in die Schule, einige wollen einen Beruf erlernen. Damit minderjährige Flüchtlinge ausprobieren können, für welche Jobs sie geeignet sind, sollten sie wie österreichische Jugendliche vor der Berufswahl schnuppern dürfen, auch bei Anton Paar. Doch Schnuppern ist aufgrund der gesetzlichen Regelungen derzeit nicht möglich. Der Beruf Zerspanungstechniker wurde vom AMS hingegen als Mangelberuf gelistet, diesen kann man unter anderem bei Anton Paar erlernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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