Erdöl: Saudis Werk und Russland Beitrag

Russia´s President Putin meets with Saudi Arabia´s Prince Mohammed bin Salman
Russia´s President Putin meets with Saudi Arabia´s Prince Mohammed bin Salman(c) Mikhail Metzel / Tass / picturedesk
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Kaum ein zweites Land leidet derart stark unter dem Ölpreisverfall wie Russland. Dabei ist man mitschuldig an der Misere. Im Vorjahr wurde ein Rekordförderniveau erreicht.

Wien. Oleg Pacholkov hat es gut gemeint. Und dennoch stand er vergangene Woche mit seinem Appell in Moskau allein da. Russland solle seinen Ölexport binnen fünf Jahren auf null zurückfahren, um so Druck für nötige Wirtschaftsreformen aufzubauen, riet der oppositionelle Duma-Abgeordnete dem Wirtschaftsministerium: „Russland hat wiederholt bewiesen, dass es aus der Asche wiedererstehen kann.“

Russland als Phönix ohne Ölexport? In einer solchen Radikalkur wittert der restliche Teil des Establishments höchstens eine Schnapsidee. Vor allem kurzfristig sehen die Entscheidungsträger angesichts des Ölpreisverfalls das Heil nur in möglichst großen Produktionsvolumina. Und so kommt es, dass Russland – genauso wie die Saudis und kleinere Ölproduzenten – seine Förderhähne bis zum Anschlag aufgedreht hat und exportiert, was das Zeug hält. Im Vorjahr (534 Millionen Tonnen) und im Jänner 2016 abermals hat Russland so viel aus dem Boden geholt wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr. Beim Ölexport dasselbe Bild. Nach sechs Jahren rückläufiger Tendenz schnellte er im Vorjahr um neun Prozent auf 229,6 Millionen Tonnen hoch. Laut Sergej Andronov, Vizechef des Öltransportmonopolisten Transneft, werde der Export 2016 aber um 6,4 Prozent zurückgehen. Energieminister Alexandr Nowak hingegen prophezeit eine weitere leichte Steigerung.

Dass man mit dieser Strategie die Misere verstärkt, weiß man in Moskau. Nicht zufällig tauchten zuletzt Bereitschaftsbekundungen auf, mit anderen Förderländern Aktionen zur Preisstabilisierung zu besprechen. Die Zeit für ein koordiniertes Vorgehen drängt. Russlands Wirtschaft, die auch heuer in einer Rezession verharren wird, ist 2015 um 3,9 Prozent eingebrochen. Drei Prozentpunkte davon rührten vom niedrigen Ölpreis her.

Bisher hatte Russland nie zu Stabilisierung beigetragen. Diverse Treffen mit der Organisation Erdöl fördernder Länder (Opec) blieben ergebnislos. Das hat auch technische Gründe: Russland habe nie absichtlich die Förderung gedrosselt, weil es bei einem Teil der Bohrtürme (aufgrund der Kälte) schwierig sei, die Produktion wieder hochzufahren, weiß Alexej Kokin, Analyst der Investgesellschaft Uralsib.

Alte Felder sind weniger rentabel

Unbeabsichtigt kommt es allerdings zur Drosselung. Derzeit wird vorwiegend aus den in Westsibirien und im Ural-Wolga-Gebiet gelegenen Feldern gepumpt, die in den 1960er- bis 1980er-Jahren erschlossen worden sind. Die Förderung dort geht zurück und könnte nur mit neuen Technologien erhöht werden. „Für die zukünftige Entwicklung der Ölförderung ist entscheidend, wie rasch die Ausbeutungsrate dieser Vorkommen absinken wird und wie schnell neue Felder in Betrieb genommen werden können“, schreibt der ehemalige Osteuropaexperte der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, Roland Götz, in der Zeitschrift „Osteuropa“.

Russland steht vor dem Problem, dass der natürliche Rückgang der Förderung derzeit fünf bis sechs Prozent pro Jahr beträgt, wenn nicht neue Quellen angezapft werden, so Maxim Moschkow, Analyst bei UBS: In den reifen Feldern Westsibiriens liege der Wert beim Doppelten. Neue Felder sind in Vorbereitung. Und für heuer ist die Inbetriebnahme einiger Großlagerstätten vorgesehen. Da es konventionelle Lagerstätten sind, sind sie auch jetzt noch profitabel: Die Gewinnschwelle liege dort bei 25 bis 30 Dollar je Barrel, so Götz.

Unter Experten ist jedoch umstritten, ob die Ölproduktion 2016 überhaupt auf dem Niveau von 2015 erfolgen kann. Der niedrige Ölpreis führt nämlich dazu, dass Investitionen zurückgefahren werden und die Förderung 2016 schon sinken könnte.

Wie dieser Tage zwei Quellen aus Ölkonzernen der russischen Zeitung „Wedomosti“ verrieten, wollten offizielle Vertreter des Landes diesem Faktum mit Erklärungen über absichtliche Förderkürzungen zuvorkommen und so den Preis treiben.

Die Logik der Saudis aber dürfte eine andere sein, meint Vasili Tanurkov, Analyst bei Veles Capital: „Wozu sich mit einem Russland einigen, dem ohnehin ein natürlicher Förderrückgang bevorsteht?“

Ob er wirklich so schnell eintritt, wie die Saudis dies vielleicht hoffen, ist nicht sicher. Aber er wird eintreten. Auch deshalb, weil die Ausbeutung unkonventioneller Ölressourcen und arktischer Vorkommen infrage steht. Das liegt nicht nur am jetzigen Ausfuhrverbot für westliche Ölausrüstungen, ohne die derart schwierige Vorhaben technologisch nicht zu stemmen sind. Es liegt auch daran, dass der jetzige Ölpreis derartige Projekte unrentabel und frühestens ab einem Preis von 50 Dollar je Barrel wieder diskussionswürdig macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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