Mindestsicherung: Keine Sanktion bei Sozialmissbrauch

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Bei Arbeitsverweigerung droht die Kürzung der Mindestsicherung. Diese Bestimmung wird nicht überall umgesetzt, es fehlt auch das entsprechende Datenmaterial dazu.

Wien. Die Debatte um die Mindestsicherung geht weiter. ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger macht im Gespräch mit der „Presse“ darauf aufmerksam, dass die Sanktionen gegen arbeitsunwillige Bezieher lückenhaft sind: Viele Bezirksbehörden würden die an sich mögliche Kürzung oder Streichung der Sozialhilfe nicht umsetzen.

Bezieher der bedarfsorientierten Mindestsicherung müssen – sofern sie arbeitsfähig sind – sich auch tatsächlich um eine Arbeit bemühen, so die Theorie. Bei Verstößen, wenn also eine Arbeit abgelehnt oder ein AMS-Kurs nicht besucht wird, meldet das Arbeitsmarktservice dies den zuständigen Bezirksbehörden, die die Mindestsicherung für die Länder abwickeln.

In manchen Bezirksbehörden sei man da nicht entsprechend geschult, so die Vermutung Wögingers, warum die Sanktionen unterbleiben. Das betrifft nicht Wien, wo es mit Abstand die meisten Bezieher der Mindestsicherung gibt und wo im Vorjahr in 7000 Fällen Kürzungen vorgenommen wurden, sondern die Verwaltungsbehörden in den Ländern. So wisse Wöginger von Fällen in Oberösterreich. Der ÖVP-Sozialsprecher fordert daher eine Änderung der 15a-Vereinbarung: Die Sanktionen sollen von einer Kann- in eine Muss-Bestimmung umgewandelt werden.

Fehlende Information

Im Sozialministerium bestätigt man die Problematik: Man habe aus einzelnen Bundesländern gehört, dass die Sanktionen nicht wie vorgesehen umgesetzt werden, so ein Sprecher von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). Konkrete Angaben kann man allerdings auch im Sozialressort dazu nicht machen. Denn die Länder müssen zwar Informationen übermitteln, wie viele Bezieher der Mindestsicherung es gibt und welche Mittel für sie aufgewendet werden (siehe Grafik), nicht aber, wie oft die Sozialleistung wegen Missbrauchs gestrichen wurde. Bei den nun anstehenden Verhandlungen mit den Ländern will der Minister mehr Informationen einfordern.

ÖVP verteidigt Deckelung

Während sich in dieser Frage die Koalitionspartner leicht einigen können, liegen die Standpunkte beim Thema „Kürzung der Mindestsicherung“ noch weit auseinander. Das gilt vor allem für den von der ÖVP geforderten Deckel von 1500 Euro pro Familie. Stöger hatte kritisiert, damit wolle man neue Kinderarmut schaffen. Wöginger verteidigt nun den ÖVP-Plan: „Es geht uns um soziale Gerechtigkeit innerhalb der Familien.“ Die 1500 Euro würden einem Bruttogehalt von 2200 Euro entsprechen und seien damit in der Größenordnung des Medianeinkommens der arbeitenden Bevölkerung angesiedelt. „Es muss bei der Mindestsicherung ein gesundes Verhältnis zu dem geben, was mit Arbeit verdient wird“, so Wöginger, der auch darauf aufmerksam macht, dass die Familienbeihilfe selbstverständlich zusätzlich ausbezahlt wird und keiner Deckelung unterworfen ist.

Von einer Deckelung bei 1500 Euro wären vor allem jene Familien betroffen, die mehr als zwei Kinder haben. Dabei handelt es sich um eine nicht unbeträchtliche Größenordnung: Laut den Daten der Statistik Austria gab es im Jahr 2014 insgesamt 4486 Paare mit drei und 3489 Paare mit vier oder mehr Kindern. In diesen Familien lebten insgesamt 25.684 Kinder.

Auch für eine teilweise Umstellung auf Sachleistungen macht sich Wöginger stark. Eine der Sachleistungen soll speziell anerkannte Asylwerber betreffen: Sie sollen ihre Deutschkurse auf diesem Weg zum Teil selbst mitfinanzieren. „Das darf man verlangen“, so Wöginger.

AUF EINEN BLICK

Mindestsicherung. Anspruch auf die Sozialhilfe haben Personen ohne oder mit sehr geringem Einkommen, deren Vermögen maximal 4188 Euro beträgt. Voraussetzung: Man muss bereit sein, eine Arbeit anzunehmen, außer man hat das Pensionsalter erreicht oder muss unter Dreijährige betreuen. Einzelpersonen bekommen 837, Paare 1256 Euro monatlich. Pro Kind gibt es 150 Euro zusätzlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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