Reales Pensionsalter sinkt weiter

(c) Clemens Fabry
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Während das Sozialministerium von einem steigenden Pensionsantrittsalter spricht, belegen Expertenzahlen das Gegenteil. Für die Reform der Rente arbeitet die Regierung an einem Stufenplan.

Wien. Es war eine kleine Erfolgsmeldung, die das Sozialministerium am 30. Dezember 2015 bekannt gab: Das Pensionsantrittsalter in Österreich ist auf 61,6 Jahre gestiegen. 2014 lag es noch bei 61,2 Jahren (die Zahlen beziehen sich auf alle Pensionen inklusive vorzeitiger Alterspensionen).

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in diesen Zahlen sind jene Personen nicht enthalten, die Reha-Geld beziehen. Dieser Zuschuss ersetzt die Invaliditätspension für unter 50-Jährige. Nimmt man die Reha-Geldbezieher in die Pensionsrechnung auf, sehen die Zahlen ganz anders aus: 2015 lag das Pensionsantrittsalter von ASVG-Versicherten (ohne Beamte, Eisenbahner, Bauern, Unternehmer) bei 58,6 Jahren – und sank damit sogar. 2014 ist es noch bei 58,7 Jahren gelegen. Diese neuen Zahlen wurden der „Presse“ in der Pensionsversicherungsanstalt inoffiziell bestätigt.

Ende vergangenen Jahres haben 18.546 Personen Rehabilitationsgeld erhalten. Fast drei Viertel der Fälle gehen auf psychische Erkrankungen zurück. Nur bei 1290 Personen verbesserte sich im vergangenen Jahr der Gesundheitszustand derart, dass sie wieder als arbeitsfähig eingestuft wurden. 1508 Personen wurden krankheitsbedingt in Pension geschickt. Die Umschulung in einen anderen Beruf, der dem Krankheitsbild des Betroffenen eher entgegenkommt, wird wenig angenommen. So fanden im Sommer 2015 beispielsweise unter damals etwa 17.500 Reha-Geldbeziehern gerade einmal 90 Umschulungen statt.

Auf die Regierung wartet also einiges an Arbeit, um das Pensionssystem zu reformieren. Ihr läuft die Zeit für den mit 29. Februar fixierten Pensionsgipfel davon. ÖVP und SPÖ, vor allem aber Wirtschaft und Gewerkschaft, steuern bisher voll auf Konfrontationskurs. Einzige Ausnahme: Änderungen bei Reha-Geld und Invaliditätspensionen (siehe Bericht unten). Die Regierungsspitze ist bemüht, am 29. Februar eine Pensionsreform in einer Art Stufenplan vorzustellen.

Um eine Reform zu retten, wurden daher Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) beauftragt, ein gemeinsames Papier vorzubereiten. Hintergrund dafür ist, wie der „Presse“ erläutert wurde, dass die beiden vor Jahren bereits erfolgreich die Gesundheitsreform inklusive einer Dämpfung der Ausgaben ausverhandelt haben. Schelling war damals Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Stöger noch Gesundheitsminister. Ihnen zur Seite gestellt sind auf SPÖ-Seite der scheidende Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm sowie der ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. Von den beiden Parteichefs, Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, gibt es den Wunsch, sich auf Lösungen und nicht auf Auseinandersetzungen um Details zu konzentrieren.

ÖGB: Keine Zustimmung zu Kürzungen

Die Fronten haben sich zuletzt sogar verhärtet. Das wurde auch beim Treffen der Experten der Sozialpartner mit Vertretern des Sozial- und Finanzministeriums am Montag deutlich. Der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, verwahrte sich im Gespräch mit der „Presse“ gegen neue Maßnahmen, die auf Pensionskürzungen hinauslaufen: „Es wird keine Zustimmung zu weiteren Einschnitten bei Arbeitern und Angestellten geben.“ Weitere Pensionskürzungen für die Arbeitnehmer „kommen nicht infrage“. Achitz nimmt die Unternehmen „in die Pflicht“: „Jetzt sind sie dran, ihren Beitrag zu einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters zu leisten.“

Umgekehrt halten Wirtschaft und Industrie an Plänen fest, die steigende Lebenserwartung und das Pensionsantrittsalter zusammenzuführen, betont der Leiter der Sozialabteilung der Wirtschaftskammer, Martin Gleitsmann. Das soll mit einem Nachhaltigkeitsmechanismus zur Pensionsfinanzierung sichergestellt werden.

Zumindest vom Begriff Pensionsautomatik (Anhebung des Pensionsalters bei steigender Lebenserwartung), die von der SPÖ strikt abgelehnt wird, hat sich die ÖVP verabschiedet. Sie spricht nun von Nachhaltigkeitsfaktoren, die die Koalition zur Stabilisierung der Pensionsfinanzierung im Voraus festlegen soll.

AUF EINEN BLICK

Interne Zahlen zeigen nun erstmals, wie das Pensionsantrittsalter in Österreich unter Einbeziehung der Reha-Geldbezieher aussieht (das Rehabilitationsgeld ersetzt die Invaliditätspension für unter 50-Jährige). Demnach gingen ASVG-Versicherte bereits mit 58,6 Jahren in Pension. Das Sozialministerium hatte Ende 2015 von einem Pensionsantrittsalter von 61,6 Jahren bei Alterspensionen (alle Pensionen und vorzeitige Alterspensionen) bzw. 60,2 Jahren bei Direktpensionen (Berufs- und Invaliditätspensionen und alle Alterspensionen) gesprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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